Pura fucking Vida
Datum: 13.04.2023
Autorin: Pola
Position: Nordatlantik
Nautische Position: N 46 04.5 W 011 56.2
Distance: 11030
Schiff: Regina Maris
Die schönen Morgenstunden
Heute morgen bin ich mit den immer kreativer werdenden Weck-Methoden in den Tag gestartet. Heute aber leider weniger erfolgreich… ich hab‘ leider das Frühstück verschlafen und saß dann total müde im Unterricht. Leider macht es mir die 21:00 – 01:00 Watch schwerer als jede andere Watch, morgens aufzustehen. Beispielsweise kann man bei der 01:00 – 05:00 Watch ausschlafen! Naja, noch zwei Mal! Heute hatten wir Deutschunterricht mit Emily, in dem wir lesen sollten. Ich kann nicht leugnen, wie sehr mich das gefreut hat, weil man nicht viel tun muss und sich trotzten weiterbilden kann. Nach der Stunde mit Emily hatten wir mit Jule Kunstunterricht. Das war bisher meine Lieblingsstunde, weil die Atmosphäre total angenehm war, mit guter Musik, Jule, die motiviert war und es um Themen ging, die wir alle sehr interessant fanden. Zuerst sollten wir ein Blatt dreimal falten und in drei Etappen, Kopf, Oberkörper und die Beine malen, ohne zu sehen was die vorherige Person in der Etappe davor gemalt hat. Am Ende hatte jeder eine Kreatur mit verschiedenen Extremitäten, die trotzdem zusammen passten und ein tolles Bild ergaben. Mein Ergebnis häng‘ ich mir an die Wand!




Danach haben wir über kontroverse Kunst geredet, die viele von uns als moralisch verwerfbar empfunden haben. So auch meine Meinung. Beispielsweise ein Werk, in dem lebende Goldfische in einen Mixer getan werden und die Betrachter entscheiden können, den Mixer anzuschalten oder dem Fisch den Tod zu ersparen? Natürlich ist es trotzdem nicht außer acht zu lassen, dass ein Mixer in keinster Weise ein Lebensraum für den Fisch darstellen sollte und somit Tierquälerei ist. Also: Wie weit darf Kunst gehen? Wann ist Kunst verwerflich? Ist es besser, ein Schwein vor der Massentierhaltung zu retten, dafür aber unter Narkose zu tätowieren, um das Schwein darauf hin zu schlachten um dann Handtaschen aus der tätowierten Haut zu fertigen?



Mittagessen
Zum Mittagessen gab es Pilzcremesuppe, die sogar nicht durch den ganzen Messroom geflogen ist.
Der Nachmittag bestand für die meisten aus Schlafen, Lesen und Entspannnen. Denn heute war einer der wenigen Tage, an dem nicht so viel Sailhandling anstand und keine dramatischen Erlebnisse passiert sind. Das heißt so viel wie alle Segel sind ganz, kein Boom ist abgebrochen und der Motor läuft ohne Probleme. Natürlich erwähne ich nicht die alltäglichen Hindernisse von nassen Betten, die einfach nicht trocknen wollen, rumliegende seekranke Menschen, teilweise nicht funktionierenden Toiletten, unzählige Male auf die Schnauze fliegen, Putzen von Fenstern und einem unfassbar dreckigen und mit Mehl übersähten Messroom. Aber auch das habe ich mittlerweile akzeptiert und auch teilweise lieben gelernt. Vielleicht habe ich auch einfach nur einen Hang zum Dramatischen…
Es ist Abend und wir sitzen im Messroom
Abends gab es Kartoffeln mit der super Pilzsuppe. Die Stimmung war sehr heiter, wenn nicht sogar hysterisch und aufgekratzt. Dazu kommt Technomusik. Ein paar Leute, die dazu raven und ein gestresster Martin und ein ganz lautes EH-HE von Jakob. Natürlich ist Theodors und Jakes eleganter Abgang, wohl eher Zusammenstoß, die auf dem Boden landeten, nicht außer Acht zu lassen. Dieser sorgte für Belustigung und war die Krönung der ganzen Situation. Für mich begann danach die leider sehr regnerische Watch. Um 01:30 konnte ich dann endlich in mein warmes Bett und in die wunderschöne Welt der Träume hinübergleiten.




Ich bemerke, wie sich so langsam Skepsis und traurige Stimmung einschleichen, wenn ich darüber nachdenke, dass die Reise bald vorbei ist. Bisher konnte man einfach nicht realisieren, dass es bald vorbei ist. Und jetzt würde ich alles tun, um das Ende der Reise noch weiter rauszuzögern. Trotzdem ein Mantra an euch alle: Pura fucking Vida!! Ja ich weiß, ein bisschen flach, aber irgendwie passt es doch.