Autor: Marvin
Datum: 28.03.2023
Position: Nordatlantik – und zwar mittendrauf- immer noch
Nautische Position: N 35 38,800 W 43 35.943
Distance: 9513
Schiff: Regina Maris

Ein letztes Mal Bio
Ein weiterer Tag auf See ist vorüber und uns wird immer bewusster, dass es dem Ende zugeht. Die eigens angefertigte Strichliste der verbleibenden Tage nimmt konstant ab. Flo hat uns heute zum voraussichtlich letzten Mal Biologie gelehrt. Es war immer spaßig (kein Scherz) und Flo hat ein ungemein umfassendes Wissen an jeglichen Bio-Facts.
Nach der folgenden Geography- claaas (schiffseigene Betonung), in der wir etwas über die Azoren gelernt haben, gab es etwas sailhandling der Gaff-sails. Über unser Square-Sail ist zu sagen, dass wir jetzt sozusagen zwei Square’s haben aber kein Sail mehr 😅. Besagtes ist gestern Nacht bei starkem Wind glatt in zwei gerissen. Wir fahren jetzt also mit etwas weniger Segel-Kraft, aber dafür zurzeit mit Motor.
Mittlerweile gibt es schon die Liste, wann die Bewerbungsgespräche für die Schiffsübergabe stattfinden und ich bin schon sehr gespannt, wie das laufen wird. In den letzten Tagen wurden fleißig Bewerbungen geschrieben und herumformuliert. Ich bin zuversichtlich, dass wir das Schiff elegant nach Amsterdam bekommen werden.





Drängende Probleme von Arzt Christian
Ein Thema beherrscht die Köpfe:
„Wie wird es mit mir zu Hause nach dieser Reise weitergehen?“
Deshalb haben sich schon Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit dem noch schlecht vorstellbaren Wechsel in die Realität auf dem Festland nach Ankunft am Ziel intensiv beschäftigen.
AG Schlaf:
Welche technischen Veränderungen kann ich an meinem Bett installieren, um das unregelmäßige Schaukeln zu simulieren, um schlafen zu können? Gelingt es mir überhaupt noch, alleine in einem Zimmer zu schlafen? Trifft es auf Verständnis, dass ich jede Gelegenheit nutze, um zu schlafen?



AG Tagesrhythmus:
Wie kann es mir im neuen Alltag gelingen, den inzwischen verinnerlichten und ständig rotierenden Tag/Nachtrhythmus auf dem Schiff in meinen neuen Alltag zu integrieren? (Tag und Nacht-Watches, Küchen/Galley-Dienst, Schulzeiten, sailhandling etc.)
AG Alltagsverhalten:
Wie kann ich meiner Familie und meinen Freunden klarmachen, dass ich die Angst habe, etwas könnte vom Tisch rutschen, ich könnte von Wellen getroffen werden und muss ständig auf meinen sicheren Stand achten und mich gegebenenfalls irgendwo mit einem Karabinerhaken einklinken? Wie kann ich allen verständlich vermitteln, dass das Festhalten der Becher und Teller bei jeder Mahlzeit zwingend notwendig ist? Gelingt es mir, meine Familie zu überzeugen, dass ich einen festen Waschtag brauche, auf den ich mich freuen kann?



AG häusliche Umgebung:
Gelingt es mir, unsere Küche zu Hause, wenigstens teilweise in den mir gut bekannten Zustand der hier lieb gewonnen Galley zu versetzen, z. B. durch Ausschütten von Öl, Mehl und anderen Lebensmitteln und Gewürzen oder auch fliegende Kartoffeln oder Nudeln sowie Essensreste und Geschirr, Besteck, Kochgeschirr und sonstiges Zubehör etc.?
Wie kann ich meine Leute davon überzeugen, sich zum Essen holen in einer Reihe anzustellen und einen Nachschlag (Second) erst zu erhalten, wenn alle First bekommen haben.


AG Zimmerdesign:
Wie können wir unsere Lieben daheim überzeugen, dass meine Koje, bzw. mein Zimmer in der von mir neu gestalteten Weise aussehen muss, damit ich mich nach den Monaten auf dem Schiff auch ansatzweise zu Hause wieder wohl fühlen kann und z.B. alles auf Antirutschmatten stellen muss?
AG Integration in die Familie:
In welcher Weise kann ich meine Familie davon überzeugen als Ausdruck der Lebendigkeit einen gewissen Lärmpegel durch Musik, Besuche vieler Leute, die laut schreien und unverständliche Sätze reden, zu benötigen? Gelingt es, mir, meine Familie zu überzeugen, dass ich einen festen Waschtag brauche, auf den ich mich freuen kann?


AG Schule.
Schaffe ich es, meinen Lehrer:innen und Mitschüler:innen zu vermitteln, dass ich noch mit der Zahnbürste im Mund und im Jogginganzug müde zur Schule komme?




AG, Kontakt zu Freunden und Bekannten:
Gelingt es mir anderen klarzumachen, dass ich nicht ständig mein Mobiltelefon bei mir oder eingeschaltet oder irgendwelche Nachrichten gelesen haben muss? Gelingt es mir anderen zu verdeutlichen, dass inzwischen aus mir eine selbstbewusste, selbstständige und selbstverantwortliche Persönlichkeit geworden ist? Mit allen Konsequenzen?
Diese Maßnahmen dienen hauptsächlich dazu, die „shipsickness oder seasickness“ (Gegenteil von homesickness – Heimweh) zu verhindern.

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden nach der Ankunft in Amsterdam veröffentlicht.
P.S.:
Mia: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag,Julia! Schöne Grüße aus dem wackligen Blau!
Brian: Liebe Grüße an alle Zuhause, wir sind schon bald da und ich freu‘ mich, wieder mal mit euch zu reden. Hier ist immer noch alles mega. Hab‘ euch alle lieb
Anita: Viele liebe Grüße an meine Familie und Freunde❤️