Datum: 03.04.2022
Autor: Clara M.
Position: Emden
Etmal: 14806
Das hier ist nicht nur mein letzter Tagesbericht, sondern auch der allerletzte Tagesbericht der Ocean College Reise 21/22.
Heute sind wir nach 6 1/2 Monaten auf der Pelican in Emden eingelaufen. Schon aus der Ferne konnten wir die wartenden und winkenden Eltern und Angehörigen sehen, die an der Schleuse nach uns Ausschau gehalten haben. Einzelne von uns konnten Angehörige und Freunde entdecken und bei manchen floss die eine oder andere Träne.
Direkt nach der Schleuse haben wir uns bereit gemacht, auf die Yards zu klettern. Die Meisten von uns standen auf den Yards, aber wir hatten auch Jele am Helm, Helene im Rib, und Maria und Laure, die an Deck geholfen haben. Von dort oben haben wir eine ziemlich große Menschenmenge an unserem Anlegeplatz ausmachen können und da ging die große Aufregung richtig los.
Till hat auf dem Foremast den ersten Shanty angestimmt und voller Stolz und uns die Seele aus dem Leib singend haben wir geantwortet. Nach fünf Shantys hatten wir unseren Hafenplatz erreicht und waren sicher vertäut. Die Eltern waren jetzt direkt unter uns, und auch ich konnte endlich meine Mutter sehen, die wie wild gewunken hat und ich bin mir sicher, feuchte Augen bei ihr gesehen zu haben.
Simon hat uns dann das Kommando gegeben vorsichtig, aber zügig, wieder runterzuklettern, damit wir an Deck mit den Abschiedszeremonien beginnen konnten. Wir standen alle auf dem Poop Deck und nach ein paar weiteren Shantys begann der Teil mit all den Reden. Johan, Adrian, Ben, Kristina und peinlicherweise auch meine Mutter standen auf der Gangway und haben jeweils eine Rede gehalten.
Ja und dann kam der Teil des Tages, den wir alle am liebsten ausgelassen hätten: Das ganze Gepäck wurde an Land gereicht und ausgelegt. Alle haben sich wieder versammelt, als dann die erste Person von Board gehen musste.
Innerhalb weniger Minuten war die erste komplette Watch weg. Es war so seltsam, sie alle die Gangway runterlaufen zu sehen und dann in die Arme ihrer Familien fallen zu sehen. Bei manchen habe ich gar nicht wirklich mitbekommen, wie sie gegangen sind, weil es einfach viel zu schnell ging.
Nach und nach wurde das Deck immer leerer und die Menge vor dem Schiff immer größer. Da ich in der letzten Watch war, die von Board gehen durfte, stand ich am Ende nur noch mit Yarina, Lolo, Connor und Ann da. Dann wurde mein Name ausgerufen, ich musste zur Gangway gehen, habe mein Zeugnis und Umschlag mit Briefen in die Hand gedrückt bekommen, habe Ben noch die Hand geschüttelt und bin die Gangway runter.
Und da lag auch ich meinen Eltern in den Armen, natürlich auch schluchzend und es kam mir vor, als wollten sie mich nie wieder loslassen. Es hat sich echt seltsam angefühlt, nach so langer Zeit wieder zurück zu sein und in dem Moment hat es sich angefühlt, als wäre ich nie weg gewesen. Gleichzeitig hatte ich überhaupt keine Lust bei meinen Eltern zu stehen, ich wollte nur zu meiner zweiten Familie zurück und so bin ich durch die Menge gelaufen und hab alle umarmt, die mir über den Weg gelaufen sind.
Zum Glück hatten unsere Eltern dieses Jahr die Möglichkeit sich das Schiff mit einer Führung anzuschauen. Es hat sich bisschen seltsam angefühlt, ihnen alles zu zeigen, wo man die letzten sechs Monate verbracht hat. Außerdem war die Pelican ganz leer und kalt und nicht mehr so wie vorher. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie sich den Alltag so gut vorstellen konnten, weil alles nicht eingerichtet war, niemand on watch war und generell kaum Leute da waren.
Nach der Führung, die ich meinen Eltern gegeben habe, kam der für mich schwierigste Teil: Mich von der Crew zu verabschieden und die Gangway für ein letztes Mal hinunter zu laufen. Ich stand dort oben auf den steps zur Gangway und wusste, es würde vorerst das letzte Mal sein. Es hat sich einfach absolut scheiße angefühlt, das Zuhause hinter sich zu lassen.
Ich weiß, mir wird auch immer gesagt, dass ich nochmal zurück zur Pelican kommen werde, aber es wird nie mehr dasselbe sein. Es wird nie wieder die Gruppe von OC 21/22 alle zusammen auf diesem Schiff sein und so ein Abenteuer erleben.
Ariadni hat mir immer gesagt wenn ich mal Heimweh hatte:
Wir werden nach Hause kommen, und alles wird genauso sein, wie als wir gegangen sind. Aber wir werden nie wieder so auf die Pelican zurückkommen, so wie es jetzt ist.
Und, no joke, sie hat absolut recht.
Ich weiß ganz ehrlich noch nicht genau, wie ich mich jemals wieder in das normale Leben finden soll. Während meiner Nacht im Hotel hat mir das Schaukeln und Gluckern der Wellen so sehr gefehlt, dass ich Schwierigkeiten hatte, zur Ruhe zu kommen.
Am meisten aber vermisse ich all meine Freunde. Am Nachmittag war ich alleine im Zimmer, alles war still und ich hab niemanden gehört. Wir waren zu dritt essen und es war total seltsam, die ganze Aufmerksamkeit galt mir, es gab normales Wasser aus einem Glas und ich war halt alleine mit meinen Eltern.
Es war einfach so, als hätte ich mir alles nur eingebildet und diese ganze Reise wäre nie passiert. Das Leben auf einem Schiff zu fünfzigst ist doch sehr anders als ein normales Leben an Land.
Jedes Mal bisher, wo ich mir Fotos angesehen habe oder mit jemandem von der Reise geschrieben habe, bin ich schlagartig richtig traurig geworden und habe mich nur zurück aufs Schiff gewünscht. Das Gefühl, das wir alle momentan wahrscheinlich haben, ist sehr schwer zu beschreiben und ich glaube nicht, dass die, die keine OC Reise gemacht haben, es nachvollziehen können.
Ich denke, hätten wir uns langsam von dem ganzen Schiffsleben verabschieden können, wäre es nicht so schwer, aber am Ende jeder Ocean College Reise ist es dasselbe: Im ersten Moment stehst du auf deinem Schiff mit all den Leuten, die für dich zu deiner zweiten Familie geworden sind, und im nächsten sitzt du mit deiner Familie im Auto auf dem Weg nach Hause und hast alles einfach so zurücklassen müssen.
Aber, klar, so ein Abschied gehört dazu. Auch wenn vor allem der Anfang und das Ende enorm schwierig ist, muss es ja normal weitergehen. Ich möchte auf jeden Fall meinen Eltern danken, dass sie mir diese unglaubliche Reise voller Erfahrungen ermöglicht haben und hoffe, dass noch viele weitere Jugendliche so etwas erleben können.
Und an die Teilnehmer meiner Reise: Ich vermisse euch alle so unglaublich und habe euch lieb. Hoffentlich sehen wir uns bald alle bei einem Reunion- Wochenende wieder.
