Ein Tag als 1. Schülersteuerfrau

Schiff: Johnny
Datum: 12.04.2025
Position: Englischer Kanal
Nautische Position: 49°30,3’N 005°37,3’W
Etmal: 180
Gesamt: 13.463 NM

Die zweite Woche unseres Handovers ist schon fast vorbei und da ich diese Woche die Position der ersten Steuerfrau übernommen habe, wollte ich euch einmal einen kleinen Einblick in meinen Tag geben, der sich aber zugegebenermaßen schon ziemlich von den anderen Tagen abhebt.

04:00–08:00 Wache

Als erste Steuerfrau habe ich die Wache von 04:00 bis 08:00, zu der ich mal wieder vergessen wurde zu wecken. Ich habe mir also schnell mein Ölzeug übergezogen, mir eine Wärmflasche gemacht, weil es selbst in der Brücke echt kalt ist und bin dann noch gerade so pünktlich zur Wachübergabe oben gewesen. Pünktlich heißt natürlich fünf Minuten vor vier, denn: „Fünf Minuten vor der Zeit ist des Seemanns Pünktlichkeit“.

Bei der Wachübergabe wird dann immer erzählt, welchen Kurs wir mit welcher Geschwindigkeit fahren, wie stark der Wind aus welcher Richtung kommt sowie besondere Vorkommnisse während der Wache.

Während der Wache muss ich dann regelmäßig mit einer Person aus der Wache eine Decksrunde machen. Dabei schauen wir, ob sich irgendwelche Leinen gelöst haben oder auch andere Dinge an Deck einfach nicht klar sind und klaren diese dementsprechend dann auf.

Ansonsten ist meine Aufgabe, auf den Kurs zu achten. Das heißt, ich muss schauen, ob von der Wache der richtige Kurs gesteuert wird, ob wir den Kurs aufgrund von Strömung oder Wind anpassen müssen oder ob wir irgendwelchen anderen Fahrzeugen ausweichen müssen.

Zudem kontrolliere ich auch zwischendurch, ob wir mit unserem aktuellen Kurs überhaupt an unser gewünschtes Ziel kommen bzw. welchen Kurs über Grund wir fahren müssen, um unser gewünschtes Ziel zu erreichen.

Um 05:00 UTC (06:00 unsere Zeit) kommt dann immer der neue Wetterbericht. Dieser muss auf den Computer in die Wetterkarte geladen werden und anschließend wird unser Kurs dort eingetragen. Das mache ich jetzt schon seit vorgestern selber, nachdem Thomas (der eigentliche 1. Steuermann) mir die Tage vorher gezeigt hat, wie das geht.

Die 04:00 bis 08:00 Wache ist meine Lieblingszeit, da man am Morgen immer merkt, wie langsam Leben ins Schiff kommt, wenn alle aufstehen – und natürlich den Sonnenaufgang hat. So auch diesen Morgen wieder.
Nachdem wir von der 08:00 bis 12:00 Wache abgelöst wurden, konnten wir dann frühstücken gehen und anschließend habe ich mich noch einmal hingelegt, da der Schlaf, den man vor der 04:00 bis 08:00 Wache bekommt, häufig nicht ganz ausreicht.

Um kurz vor 11:00 wurde ich dann wieder geweckt, da wir um 11:00 während des Handovers immer unser Schülercrewmeeting haben. Dort besprechen wir Sachen, die gerade so anstehen oder vielleicht stören, die dann von unserem Schülersprecher Noam, der Schülersprecherin Anna L. oder unserem aktuellen Schülerkapitän Julius in das große Crewmeeting weitergegeben werden. Meistens haben wir jedoch nicht besonders viele Punkte, weshalb wir damit relativ schnell durch sind.

Später, nach dem Mittagessen, klingelte es dann zum Reinschiff und wir haben die verschiedenen Aufgaben zugeteilt. Gemeinsam mit Flurina und Anna L. war ich dieses Mal vom Reinschiff befreit, da wir das Kartenkorrekturteam sind und noch ziemlich viele Karten korrigiert werden mussten. Also haben wir die Zeit während des Reinschiffs genutzt, um dies zu tun. Schneller, als wir gucken konnten, ist die Zeit jedoch dahingeflogen und wir waren noch lange nicht fertig, als wir schon wieder aufräumen mussten.

16:00–20:00 Wache und das Problem mit der Waschmaschine

Unmittelbar nach der Wachübergabe schallte dann der Generalalarm durch das ganze Schiff. Wie wir es so oft geübt haben, kamen alle mit ihren Rettungswesten heraus und haben sich auf dem Vordeck gesammelt. Dort hieß es dann, dass unsere Waschmaschine Feuer gefangen hat und der Steuerbord-Waschraum brennt.
Zuallererst mussten wir natürlich feststellen, ob alle da sind, und haben mit Entsetzen festgestellt, dass Kyrill fehlte.

Also wurde ein Teil losgeschickt, ihn zu suchen, während sich die anderen schon einmal auf ihre Aufgaben vorbereiteten. Wir haben eine Sicherheitsrolle an Bord, in der jeder Person für die Szenarien Feuer, „Person über Bord“ und „Verlassen des Schiffes“ eine Aufgabe zugeteilt ist sowie in welche Rettungsinsel sie gehen, wenn wir das Schiff verlassen sollten. Welche Aufgaben wir dort jeweils haben, mussten wir alle am Anfang der Reise auswendig lernen, weswegen alle sofort wussten, was sie zu tun hatten.

So kam es, dass Daniela, die dem Geräteträger hilft und dementsprechend die Ausrüstung geholt hat, das Schott zur Proviantlast aufgemacht hat und dort Kyrill vorgefunden hat. Dieser lag blutverschmiert auf dem Boden. Auf seiner Wunde am Bein lag ein Handtuch, und er war erst einmal nicht ansprechbar. Als er jedoch kurz danach wieder bei Bewusstsein war, hat er sein qualvolles Leiden sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.

Während das Erste-Hilfe-Team anfing, den Verletzten zu bergen und aus dem Gefahrenbereich hinauszubringen, gingen die anderen weiter ihren Aufgaben nach, um den Brand bestmöglich einzudämmen. Dazu gehörte unter anderem, den Verschlusszustand herzustellen, wofür ich mit eingeteilt bin.

Es hieß dann, dass sich das Feuer ausbreiten würde und die 4-Kammer im Vollbrand stehe. Schließlich sollten auch noch die Pumpen ausgefallen sein und als keine unserer Bemühungen mehr etwas nutzten, hieß es, wir sollen uns zum Verlassen des Schiffes klarmachen.

Dafür haben wir uns schlussendlich alle wieder auf dem Vordeck gesammelt, wo auch der Verletzte bereits so gut es ging versorgt wurde. Dort haben wir dann durchgesprochen, wie die Feuerlöschübung gelaufen ist. Denn das Ganze war zum Glück nur eine Übung – was wir natürlich auch alle schon vor der Übung wussten, nur ich fand es irgendwie lustiger, wenn ihr Lesenden das erst jetzt erfahrt.

Zusammengefasst ist die Übung aber bis auf ein paar Kleinigkeiten ganz gut verlaufen und war auf jeden Fall mal deutlich realitätsnäher als unsere vorherigen Übungen.

Wir segeln wieder!

Nach dem Abendessen haben wir dann trotz relativ schwachem Wind die Segel gesetzt. Dabei sind wir von achtern nach vorne gegangen. Da ich als Steuerfrau der A-Wache dem Vorschiff zugeteilt bin, waren wir somit als Letztes mit dem Segelsetzen dran.

Während des Manövers hatte ich das Kommando über das Vorschiff, da Thomas sich währenddessen um die Navigation gekümmert hat. Wir hatten aber soweit keine Probleme beim Setzen und konnten zuerst die Baumfock und dann den Klüver setzen. Dabei wurden wir die ganze Zeit von einem sehr schönen Sonnenuntergang und Mondaufgang begleitet.

Grüße:

Frieda: Nina, der Blogbeitrag von gestern ist leider schon draußen, von daher jetzt hier einmal alles, alles Liebe nachträglich zum Geburtstag! Ich hoffe, Du hattest einen tollen Tag und ihr habt schön gefeiert.

Carlotta: Huhu, ich denk‘ jeden Tag an euch, bald sind wir einfach wieder da… ich weiß nicht, was ich denken soll. 🙂🙃 aber ich freue mich auf jeden Fall, euch alle wieder in den Arm zu nehmen ❤️❤️❤️
Papi, wenn du es schaffst, kannst du indischen Reissalat mitbringen? Wahrscheinlich wird es nicht funktionieren, aber wenn, würd‘ ich mich freuen😉

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