Datum: 15.03.2021
Autorin: Finja
lat.: 38°32´N
long.: 28°38´W
Position: Horta, Faial, Azores
Der Pico ist mit 2351 M.ü.M. der höchste Berg von ganz Portugal. Heute Morgen sind wir um 05:30 Uhr aufgestanden. Die Stimmung war im Vergleich zum Teide um einiges besser und es waren viele Leute inklusive mir sehr motiviert, den Gipfel des Picos zu besteigen.

Als das Frühstück beendet und die Nudeln in unseren Vesperboxen verstaut waren, sind wir los, den Hafen entlang in Richtung Fähre gelaufen. Anschließend sind wir etwa 25 Minuten zur gegenüberliegenden Ilha do Pico (nach dem Vulkan benannt) gefahren, damit wir von dort aus den Bus zur Bergstation am Fuße des Picos nehmen konnten.
Nach einer halben Stunde Busfahrt sind wir ausgestiegen und haben erst einmal alle gestaunt, wie unfassbar kalt es hier oben auf 1200m war. Also haben wir uns alle eine zweite Schicht Klamotten angezogen und dann sind wir losmarschiert. Nein, zuerst haben wir alle einen GPS Tracker bekommen, damit wir auch ja nicht verloren gehen, was bei so einer Horde motivierter Wanderer ja leicht passieren könnte. Darauf folgten Worte von Janek: „So Jungs, T-Shirts in die Hosen, jetzt wird aerodynamisch gelaufen!“
Wir waren noch gar nicht so weit gekommen, da fingen die ersten an zu kämpfen. Schließlich war dieser Weg kein richtiger Weg oder Pfad, sondern ein ehemaliger Lava-Fluss des Vulkans. Er war mit dutzenden Steinen und Felsen übersäht und man musste gut darauf achten, wo man am besten läuft und wo man besser nicht hintreten sollte. Und deshalb teilte sich die Gruppe schnell auf. Ich bin zuerst mit Elias so zwischendrin gelaufen und als ich irgendwann Sven und Hannes eingeholt hatte, bin ich mit ihnen weiter in Richtung Spitze geklettert.
Ungefähr alle fünf bis zehn Minuten ist man an einem Wegweiserpfosten vorbeigelaufen. Diese spielten besonders für die langsamere Gruppe eine wichtige Rolle, denn insgesamt sollte es 48 auf diesem Berg geben und man hat sich irgendwann nur noch von Pfosten zu Pfosten weiter vorgekämpft. Hannes und ich hatten mittlerweile die letzte Gruppe schon ein gutes Stückchen hinter uns gelassen, als wir die erste Pause bei Pfosten 17 einlegten.
Wir sind weitergegangen und die Gruppe haben wir erst wieder bei Pfosten 25 getroffen. Viele waren echt am Zweifeln, ob sie weitergehen würden. Aber ich hatte mir heute fest vorgenommen, bis nach ganz oben zu laufen.
Die Enttäuschung ist groß
Einige Zeit später, Elias, Hannes und ich hatten den Weg bis zum vierzigsten Pfosten zurückgelegt, als uns Lorn, Cornelius und Mats entgegenkamen und uns sagten:” Wir haben nicht mehr genug Zeit, wir müssen umdrehen!” Das hat mich und auch die anderen echt wütend gemacht, weil wir uns das heute echt vorgenommen hatten. Versteht mich nicht falsch, die Aussicht war genial, wir waren über den Wolken und die Luft war sehr frisch und dünn und es war richtig schön und vor allem absolut ruhig da oben. Doch irgendwie haben wir das in dem Moment gar nicht so richtig genießen können, da wir unser eigenes Ziel nicht erreicht haben. Auf dem Weg runter war ich sehr frustriert. Uns hatten nur noch acht Pfosten gefehlt. Nur noch eine halbe Stunde hätten wir gebraucht. Auch der Gruppe hinter uns hat man am Gesichtsausdruck entnehmen können, dass sie enttäuscht waren, es nicht bis zum Top geschafft zu haben.
Worum es eigentlich geht
Auf dem weiteren Weg runter habe ich nachgedacht. Es wäre schon echt cool gewesen, mit allen auf dem Berg zu stehen, bei der letzten Wanderung mit OC. Aber irgendwann war ich nicht mehr frustriert, weil es genau das ist, was Ocean College ausmacht. Nicht, dass man die Spitze nicht erreicht, nein. Wenn es eines ist von tausenden Dingen, die ich hier gelernt habe, dann, dass man die Situation nicht ändern kann, zumindest nicht als Gruppe. Es gibt viele, die dann vielleicht was geändert hätten, die einfach trotzdem zum Gipfel gerannt wären und auf eigene Faust etwas hätten bewirken wollen. Aber das ist nicht Ocean College. OceanCollege ist Teamplay und deshalb sind wir nicht zum Gipel gekommen. Weil wir Teamplayer sind. Einige der langsameren Gruppe hätten den Gipfel sicher erreichen können und auch Hannnes und ich. Aber dann hätten wir manche zurücklassen müssen und das haben wir nicht. Stattdesssen haben wir alle zusammen gekämpft. Und das war auch gut so. Der Tag war supi!
Rückblick
Dies ist mein allerletzter Tagesbericht und deshalb will ich noch ein paar Sachen loswerden: Ich habe noch nie so sehr gefroren und noch nie so sehr geschwitzt wie bei Ocean College, aber ich habe auch noch nie so viel gelernt. Doch das kann man alles gar nicht so zu Papier bringen. Von „dass man in jeder Situation sowie Position schlafen kann“ bis dass „manchmal alles einfach gut ist, wie es ist.“ Sachen sind nicht planbar und man sollte gar nicht erst probieren, sie vorauszusehen, denn egal wie es kommt, es ist gut so.

Vielleicht denkt man es im ersten Moment nicht, aber so ist es. Oh Gott, ist das kitschig! Oh Mann! Naja, jedenfalls gebe ich damit jetzt meinen Tagesbericht ab, den ich vor fünf Tagen hätte abgeben sollen. Upsi, da ist wohl der Zufall dazwischen geraten. Tschuldigung! Ich war vorhin unser Mural malen, deshalb habe ich gerade farbige Finger und sitze deshalb mit Handschuhen am Laptop im Commsroom und schreibe das hier. Naja, ich meinte ja vorhin: Dinge sind nicht planbar!
Tschüssi Finja
PS: Danke und liebe Grüße an Mama, Papa und Philipp, ich hab euch ganz doll lieb! Und ein riesiges Danke an dich Opa, ich weiß, du warst von Ocean College am Anfang kein großer Fan, aber du hast mich trotzdem mit aller Kraft unterstützt und dass ist mir sehr wichtig, denn ohne dich wäre das alles gar nicht möglich gewesen. Vielen Vielen Dank ich hab dich mega lieb, danke Opi!