Autorin: Hannah
Datum: 01.04.2020
Position: Bay of Biscay
Geografische Position: 48°21.2N 11°36.2W
Etmal: 55nm
Ich wache morgens auf, habe erstaunlicherweise nicht mehr das Gefühl, aus meinem Bett zu fallen und freue mich, denn pünktlich zum Monatsanfang hat sich die See beruhigt, man kann wieder normal gehen, stehen, sitzen, essen, ohne dass die Messe am Ende wie ein Schlachtfeld aussieht und man kann die Cabins wieder begehen – alles Dinge, die in den letzten Tagen nicht möglich waren.
Die letzten Tage waren echt hart und auch anstrengend, gleichzeitig aber sehr spannend und erlebnisreich, einfach mal etwas anderes zum Karibiksegeln. Es gibt so Vieles, das wir vermissen werden, selbst bei etwas unangenehmeren Wetterbedingungen, aber gerade in härteren Zeiten wächst die Gruppe besser zusammen und man erkennt immer besser, welche Dinge wirklich zählen und einem wichtig sind.

Aber da wir jetzt auch immer näher an Zuhause kommen, gibt es viele Gedanken daran und an all die Menschen, die dort auf uns warten und all die Dinge, die wir dann machen können, an ganz alltägliche Situationen, auf die wir verzichten müssen. Ich freue mich darauf, ….
- ein Fenster zu öffnen und frische Luft einzuatmen
- zu duschen, ohne fünf blaue Flecken zu bekommen
- zu schlafen, ohne dabei Sport zu machen bzw. überhaupt schlafen zu können
- ordentlich zu essen, ohne Kurzstreckenflüge
- Wäsche waschen zu können und dabei Platz zum Aufhängen zu haben
- selbst entscheiden zu können, wie ich meine Freizeit verbringe und überhaupt Freizeit zu haben
- mich mit meinen Geschwistern zu streiten und uns dann wieder zu vertragen
- zur Schule zu gehen
- sich aufs Sofa zu legen und ein Buch zu lesen
- Türen zu öffnen, ohne erschlagen zu werden
- in einen Supermarkt zu gehen und einzukaufen
- aus einem Glas zu trinken, ohne vorher erst nach Gläsern bzw. Tassen suchen zu müssen, weil fast alle irgendwann zu Bruch gegangen sind
- Milch oder Kakao zu trinken
- eine Winterjacke zu tragen und nicht fünf Schichten Pullover
Trotz alledem würde es nichts Schöneres geben, als noch länger mit seinen Freunden auf einem Segelschiff zu leben. Die Dinge, die wir vermissen werden, übersteigen weitaus die Liste, die Ruben angefangen hat. Zudem tragen die besonderen Umstände, unter denen wir teilweise leben dazu bei, ganz alltägliche Dinge wertzuschätzen und sich über sie zu freuen.

So weiß man jetzt, was es bedeutet, ein großes gemütliches Bett zu haben und nicht auf einer Kante, in der Wand oder einem Segel zu schlafen, man weiß, was es bedeutet, schlafen zu können, man weiß, was es bedeutet, sich umeinander zu kümmern.
Jetzt freuen wir uns alle auf ein paar entspanntere Tage, an denen man sich erholen und die letzten Tage nochmal voll und ganz genießen kann.
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