
Datum: 30.Oktober 2022
Autorin: Kaya
Position: Biskaya
Nautische Position: 47° 07.4‘ N 006° 43.2‘ W Etmal: 736 nm
Eine Seefahrt die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön
Ein weiterer Tag auf See, der für uns alle zu verschiedenen Zeiten beginnt. Aufgrund der Watcheinteilung hat sich hier an Bord allmählich eine feste Routine herausgebildet. Wenn man nicht gerade auf Watch ist oder isst, schläft man.
So kommt es, dass Messe und Deck fast immer wie ausgestorben sind. Auch in den Cabins ist es so gut wie immer dunkel, da stets jemand versucht, Schlaf aufzuholen.
Von Shantys und GPS-Positionen
Jede der drei Watches (Fore, Main und Mizzen) hat innerhalb von 24 Stunden zwei Wachen á 4 Stunden. Eine dieser Wachen findet tagsüber statt, die andere nachts. Beide haben Vor- und Nachteile – die Tagwache ist jedoch ohne jeden Zweifel lebhafter.
Während dieser wird gelernt, gelacht und gesungen. Vor allem unter Aufsicht von Tamsin (2nd Mate) werden Shantys geschmettert, was das Zeug hält.
Aber natürlich kommt unsere Ausbildung zu waschechten Segler:innen nicht zu kurz. Wir lernen während unserer Wachen unter anderem GPS-Positionen auf Seekarten einzuzeichnen, Funksprüche abzugeben und das Logbuch der Pelican zu führen. Dazu gehört nicht nur die Windgeschwindigkeit und -Stärke mithilfe eines Wind-Vektor-Diagramms zu ermitteln, sondern auch die Höhe der Wellen, die Temperatur und den Luftdruck zu bestimmen.
Von Zeit zu Zeit kommen auch Mitglieder anderer Watches (größtenteils, um die Essenszeiten herum) zu den Diensthabenden auf die Brücke, um diesen ein wenig Gesellschaft zu leisten. Dann werden Geschichten, Witze und Klatsch ausgetauscht, bis wieder jemand ein Seemannslied anstimmt.
Wer gerade nicht steuert, Ausguck macht, singt oder Unterhaltungen führt, lernt für unseren Level One Crew Award. Bei uns (Mainwatch) erfreut sich vor allem das Bojen-Quiz großer Beliebtheit. All dies ereignet sich unter Sonnenschein und (überwiegend) klarem Himmel. Wir haben nämlich trotz starkem Wind und hartem Seegang gutes Wetter und klare Sicht.
Nachtwache mal anders
Die Nachtwache wird von den meisten mit Kälte, Wind, Regen und Müdigkeit verbunden. Eine Herausforderung, die einige von uns an ihre Grenzen bringt. Jeder, der schon einmal um 02:00 nachts bei 28 Knoten Windgeschwindigkeit und horizontalem Regen über der Reling hing (und nicht, um die Delfine zu beobachten) wird wohl zustimmen, dass die Nachtwache nicht die schönste Zeit des Tages ist.
Heute aber war die Situation ein wenig anders. Als die Forewatch uns (die Mainwatch) gegen 23:30 Uhr mit der Information, es sei „wirklich, wirklich“ kalt, aus unseren Kojen scheuchte, machten wir uns auf eine weitere Tortur gefasst. Also begaben wir uns, in alles eingepackt, was wir in der Dunkelheit unserer Cabins finden konnten und was auch nur irgendwie den Eindruck machte, es könnte warm sein, auf die Brücke, um die Forewatch abzulösen.
Die Situation entsprach nicht ganz dem, was wir uns ausgemalt hatten.
Es war tatsächlich sehr kalt, doch dieser Umstand verblasste schnell im Angesicht der abertausenden Sterne, die wir sehen konnten. Und dieser Anblick war wirklich etwas Besonderes. Man hatte das Gefühl, in eine nie endende Weite zu schauen und immer wieder gab es etwas Neues, etwas, was man noch nie gesehen hatte. So kam es auch, dass der Teil der Mainwatch, der nicht damit beschäftigt war, das Schiff zu steuern, in einem großen Knäul auf der Brücke lag und die Blicke nach oben gewandt hatte.

Sternenkunde
Unser Chief Officer Tamsin (2nd Mate) hat die Gelegenheit ergriffen, um einigen von uns eine Einführung in Astrologie zu geben. So konnten wir heute Morgen die verschiedensten Sternbilder sehen. Am herausstechendsten waren der Orion und der Großen Wagen, auch die Cassiopeia zeigte sich uns. Aber nicht nur die Sterne, sondern auch zwei Planeten konnten wir bewundern.
Währen Jupiter zu unserer Steuerbord-Seite zu sehen war, leuchtete Mars uns in einem weichen Gelb von Backbord aus entgegen. Über diesen Anblick hätte man sogar seinen Lookout vergessen können (ähm…).
Stimmung an Bord
Die Stimmung an Bord der Pelican ist zurzeit etwas durchwachsen. Während einige mit den Auswirkungen der Seekrankheit zu kämpfen haben, müssen andere sich mit Müdigkeit und Heimweh herumschlagen. Trotzdem sind es gerade diese schweren Momente, in denen wir uns aufeinander verlassen können.