Mein Leben als Projektleiterin

Schiff: Regina Maris
Datum: 04.04.2025
Position: Horta, Azoren
Geographische Position: 38°31.946‘N 028°37.494‘W
Etmal: 0nm
Total: 10966nm

„Manchmal muss der Plan erst schiefgehen, bis man den wahren Plan findet“, oder wie ich als PL jeden Tag aufs Neue lerne, den kühlsten aller Köpfe zu behalten.

Eine hitzige Diskussion im Messroom macht den Lehrertisch auf dem Maudeck zu einer plötzlichen Oase der Ruhe. Um 01:30 in der Nacht werde ich gefragt, ob man beim Programm am nächsten Tag daheim bleiben kann. Mein Name wird inzwischen schon öfter gesagt als der der großen Marie, aber immer noch im selben nasalen Tonfall, wenn es heißt: „Mariieeeeeeee, was ist der Plaaaaann?“

Wie konnte mein Leben sich innerhalb kürzester Zeit von Panama und Pura Vida in diesen Mix aus stetigen Aufgaben und (Hinter-) Fragen verwandeln?

Um das zu verstehen, müssen wir einmal ein wenig in der Zeit zurückreisen:

Am 26. Oktober 2024, nach genau einer Woche Ocean College, wurde ich das erste Mal in den Schiffsrat, die Schülervertretung bei uns, gewählt. Überrascht und glücklich trat ich mein Amt an und sammelte in den nächsten zwei Monaten erste Erfahrungen im Organisieren, Vermitteln und Halten von hochgeschätzten Meetings (haha).

Am 8. Dezember wurde ich wiedergewählt und lernte somit noch mehr in diesem Bereich. Insbesondere das Erstellen der Expi-Gruppen in Martinique war eine Aufgabe, an der wir alle vier gewachsen sind. Auch wenn es ziemlich kräftezehrend war, fand ich zwischen dem Stress Freude im Vertreten der Meinungen der Schülerschaft.

Der 19. Februar brachte mich zum dritten Mal in den Schülerrat, ein Meilenstein, den kein anderer hier erreicht hat. Für mich war das unglaublich schön, denn zu sehen, dass die Mitschüler einem genug vertrauen (und das seit Beginn der Reise), an einen glauben und die Bemühungen sehen, die man regelmäßig für andere auf sich nimmt, all das ist ein wundervoll bestärkendes Gefühl.

Nico, der im zweiten und dritten Schiffsrat mit mir zusammengearbeitet hat, formuliert es ziemlich passend:

„Eigentlich hat es nur Vorteile, im Schiffsrat zu sein. Man mag zwar etwas von seiner Zeit abgeben, aber dafür lernt man, Projekte zu organisieren, in einer Führungsposition zu sein, zu vermitteln und so viel mehr.“

Ich sehe es ähnlich, ich würde für mich sagen, dass ich ebenfalls vor allem die Vorteile sehe und in den letzten fünfeinhalb Monaten in dieser Rolle aufgeblüht bin.

Diese Gedanken waren der erste Dominostein, der mich in meine jetzige Situation brachte. Denn als wir am Mittwoch der letzten Unterrichtswoche mit unseren Handover-Bewerbungen anfangen mussten, war mir klar, dass ich mich auf die PL-Stelle bewerben will. Schließlich decken sich ziemlich viele Aufgaben davon mit denen, die ich im Schiffsrat regelmäßig schon bewältigen musste, also war ich quasi schon perfekt vorbereitet.

Letztendlich habe ich meine Erstwahl auch bekommen und durfte schon auf den Azoren anfangen, zu arbeiten, also Landprogramm planen, Meetings halten, ….

Mit Chris, Ella und Felipa begannen wir direkt genau damit und stellten Aktionen wie das Wildcampen, den Mini-Expi-Tag, den Besuch des Walmuseums etc. auf die Beine.

Was vorher aber nicht abzusehen war, ist, wie sehr dieser Job den eigenen Alltag verändert. Damit meine ich, wie sehr man plötzlich gleichzeitig managen muss. Unsere PL Lisa hält sich nämlich komplett raus, damit wir den vollen Effekt der Rolle spüren können.

Noch nie wurde ich so häufig von Menschen nach dem Plan oder ob wir bitte x und y machen können gefragt und nach fast sechs Monaten, in denen oft nicht ich gemeint war, wenn jemand „Marieeeeee“ rief, ist es umso ungewohnter, jetzt plötzlich stark gefragt zu sein.

Ich bin nur froh, dass ich schon öfters Unternehmungen organisiert habe und so etwas Erfahrung darin habe, worauf man alles achten muss, d.h. Geld, Transport, Wetterlage, Öffnungszeiten, Einschränkungen,….. denn plötzlich für 35 Menschen mitdenken zu müssen, ist nichts, was man nach einem Mal direkt perfekt drauf hat.

Deshalb bin ich unglaublich froh, dass ich Chris, Ella und Felipa an meiner Seite habe, denn was einer von uns vergisst, fällt einem anderen auf. Natürlich gibt es aber auch Situationen, in denen wir nicht einer Meinung sind. Diese haben wir bis jetzt aber per Diskurs und Abstimmungen gelöst, was soweit super klappt.

Ein weiterer großer Punkt ist das Aushalten und Meistern von Stresssituationen bzw. der Umgang mit unvorhergesehenen Problemen.

Denn man kann nie alles perfekt planen und genauso auch umsetzen, nicht? Dabei lerne ich in einem ganz neuen Ausmaß, was es heißt, einen kühlen Kopf zu bewahren. Wenn ich beim Campen geweckt werde mit den Worten, dass der nächste Bus zum Schiff zurück in drei Tagen fährt und man gerade aber mehrere Stunden Fußweg von der Reggie weg ist, könnte man in Panik verfallen.

Oder man bleibt cool und überlegt, welche Optionen man noch hat, denn einen anderen Weg gibt es immer. In diesem Fall konnten wir zum Beispiel noch ziemlich billige Großraumtaxis organisieren.

Die Fahrt mit diesem hat vielen mehr Spaß als die Busfahrt am Tag davor gemacht, wodurch übrigens auch das Zitat in der Überschrift entstanden ist – denn manchmal muss der ursprüngliche Plan erst schiefgehen, bis man den wahren Plan findet.

Die Busfahrt zum Campingplatz hin war übrigens auch kein Kinderspiel, denn die Busstation, die wir laut Google Maps nehmen mussten, existierte einfach nicht. Felipa konnte mit ihren Portugiesischkenntnissen aber zum Glück organisieren, dass ein anderer Busfahrer uns kostenlos zur richtigen Busstation mitnahm.

In diesen Momenten ist es essenziell, ruhig zu bleiben, denn nur mit einem klaren Verstand kann man auch klar denken. Dabei sind wir oft in Situationen, in denen wir schnell improvisieren müssen, so wie bei der Hinfahrt zum Wildcampen. Oder auch, als wir am vermeintlichen Abfahrtstag erfahren haben, dass wir doch noch nicht loskönnen und noch mehr Landprogramm für drei weitere Tage planen müssen.

Unser Budget war dabei eher schmal, da wir schon länger auf den Azoren waren und hier einiges an Landprogrammen durchgeführt hatten.

Aber dann kam uns die Idee der Mini-Expis unter, bei denen wir für 24 Stunden (realistisch eher 20 Stunden) mit einem Budget von 20 Euro in Gruppen mit maximal neun Personen einen Schlafplatz und Essen außerhalb des Schiffes finden mussten.

Diese Aktion war für mich persönlich eine der spontansten, aber auch mit die coolste. Meine Gruppe beispielsweise hat dabei in einer verlassenen Tauchstation geschlafen und in der Küche von Ines, einer Einheimischen, Abendessen für uns und selbstverständlich auch sie gekocht.

Dabei entstanden wundervolle Konversationen, die einen ganz neuen Blick auf das Inselleben lieferten und witzige Momente mit ihrem unglaublich niedlichen Hund Pluto. Grüße an der Stelle!

Auch wenn der Job anstrengender und einnehmender ist als erwartet, bin ich doch froh, PL zu sein.

Wir sind ein tolles Team, das sich gegenseitig unterstützt bei einer Aufgabe, die alleine ziemlich schwer zu stemmen wäre. Zudem macht mir dieser Typ Challenge ja auch Spaß, sonst hätte ich mich für etwas anderes beworben.

Ich merke tatsächlich einen ähnlichen Effekt wie bei den größeren Aufgaben im Schiffsrat: Ich lerne viel dazu, sodass ich beim nächsten Mal nur noch besser sein werde im Planen und Durchführen von Aktionen. So scheint es mir zum Beispiel viel greifbarer und umsetzbarer, etwas wie einen Urlaub alleine zu planen, was ich auf jeden Fall so auch umsetzen möchte.

Planen und Organisieren ist eine Fähigkeit, die jeder von uns braucht und früher oder später lernen muss/wird und ich bin sehr froh, dass ich das Schiff mit sehr viel Übung in diesem Bereich verlassen werde.

Anmerkungen:

Chris: Joa, was sie sagt

Marie: Korrekt

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