Datum: 06.12.2021
Autorin: Alina
Position: Antigua
Nautische Position: 17°00´6 N 016°46´4 W
Etmal: 0 nm (total voyage: 5632 nm)
Heute Nachmittag bin ich mit ein paar anderen am Strand schnorcheln gegangen, weil es da ein richtig schönes Riff mit vielen verschiedenen Fischen in allen Farben geben soll. Also sind wir zusammen losgeschwommen und schon nach zwei bis drei Minuten sahen wir die ersten Fische, die aber noch braun und sandfarben waren. Also sind wir noch etwas weiter rausgeschwommen und bald schon konnten wir unzählige bunte Fische sehen, grosse und kleinere, die sich unter Felsen versteckten oder einfach gemütlich vor sich her schwammen. Plötzlich hörte ich eine unverständliche Stimme, weil Leon mit dem Schnorchel im Mund uns zurief, dass er wohl etwas sehr Spannendes gesehenen habe und wir alle sofort zu ihm kommen sollen. Und genau da kam mir der Geistesblitz, worüber ich den heutigen Tagesbericht schreiben werde, nämlich Sprachen hier auf dem Schiff und die Probleme, die wir damit haben. Aber bevor ich damit anfange, möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten, was Leon da Spannendes gesehen hat. Es war ein Rochen, laut Marlon ein Adlerrochen, der sehr selten ist. Er war schwarz mit weissen Pünktchen und einem sehr, sehr langem Schwanz und er schwamm ganz entspannt durch das Wasser, ein einzigartiger Anblick.
Nun aber zurück zu den Sprachen. Hier auf dem Schiff treffen Menschen aus vielen verschiedenen Ländern aufeinander, es gibt Passagiere aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, England (auch Liverpool, wo Brandon unser Engineering Kadet herkommt, könnte man als eigenes Land zählen), USA und so weiter. Somit bringen all diese Leute auch ihre eigenen Sprachen mit, was manchmal etwas verwirrend werden kann. Deshalb habe ich mir gedacht, schreibe ich einige der lustigsten oder häufigsten Sprachverwirrungen hier auf, damit auch ihr zu Hause merkt, dass es gar nicht so einfach ist, sich auf einem solch internationalen Schiff zu verständigen. Unter den Watchleader*innen haben wir auch die Challenge, dass Sara und ich Paula alle paar Tage ein schweizerdeutsches Wort beibringen. Einige dieser Ausdrücke haben die Runde auf dem Schiff gemacht und werden immer wieder ganz unauffällig in einen deutschen Satz eingebaut.
Sweep ? wüsche ? kehren, mop ? füecht ufnäh ? wischen
Das sind wahrscheinlich die verwirrendesten Aufgaben, die ich hier auf dem Schiff jeweils verteile. Während der Watch oder beim clean ship stehen immer die beiden Aufgaben „sweep“ und „mop“ an. In meinem schweizerdeutschen Kopf wird sweep zu „wüsche“ oder dann verdeutscht eben zu wischen. Hier kommt aber das große Problem, denn das, was ich als wischen bezeichne, wäre für die meisten hier an Bord kehren oder fegen. Wenn ich dann also zwei Personen meiner Watch sage, sie sollen den Messroom wischen und mobben gehen, sehen sie mich verwirrt an, weil ich ihnen gerade sage, sie sollen zwei mal die selbe Aufgabe machen. Nach einigen Tagen habe ich dann endlich immer die richtigen Ausdrücke benutzt, nur hat sich meine Watch schon an mein schweizerisches Deutsch gewöhnt und so gab es noch mehr Verwirrung, ob ich vom deutschen oder vom schweizerischen wischen rede, weshalb wir einfach ganz auf Englisch gewechselt haben.
Dustpan and Foxtail ? Schüfeli und Wüscherli ? Kehrblech
Auch das ist nochmal ein Wort aus dem Reich des Putzens. In der Schweiz nennen wir das Kehrblech ganz einfach Schüfeli und Wüscherli, was etwa so viel bedeutet wir kleine Schaufel und kleiner Besen. Es beschreibt also genau das, was es auch ist. Bis ich das deutsche Wort dafür herausgefunden hatte, verging auch mindestens eine Woche. Weil Schüfeli und Wüscherli aber einfach viel besser klingt, ändere ich nichts an dieser Bezeichnung und nutze weiterhin das schweizerdeutsche Wort. Tatsächlich wusste ich auch bis heute nicht, dass Foxtail der kleine Besen ist, ich dachte immer, alle reden von einer Fuchsschwanzsäge und war verwirrt.
Ineschoppe ? reinstopfen
Mit ineschoppe sind wir schon bei den Worten angelangt, die Sara und ich uns extra für Paula ausgedacht haben. Dieses Wort kam mir in den Sinn, als ich meinen Rucksack für den Guajara gepackt habe und meine Jacke da reinstopfen musste. Da habe ich gemerkt, das ineschoppe das perfekte Wort ist, um Paulas Schweizerdeutschkentnisse zu erweitern. Ineschoppe gefällt ihr so gut, dass sie es jetzt immer benutzt, wenn sie etwas irgendwo reinstopfen muss.
Läck mer am Tschöpli
So eine richtige Übersetzung für diesen Ausdruck gibt es so weit ich weiß gar nicht. Die wörtliche Übersetzung wäre in etwa „Leck mir am Hemd/ an der Jacke“ was überhaupt keinen Sinn ergibt. In der Schweiz benutzen wir das aber zum Beispiel, um unser Erstaunen auszudrücken. Deshalb habe ich das vielen auf dem Schiff beigebracht, damit sie „Läck mer am Tschöpli“ sagen können, wenn sie den Vulkan auf La Palma erblicken.
Spienzlä ? linsen
Jeden Tag freue ich mich schon ab dem Frühstück auf den Nachtisch. Deshalb frage ich meistens schon im Laufe des Morgens Sara, ob sie weiss, was es heute gibt. Ihre Antwort lautet immer gleich: Nei, aber sölli mal go spienzlä gah? Also nein, aber soll ich mal linsen gehen? Somit ist das ein sehr wichtiges Wort, das ich tagtäglich hier benutze.
Guetzli oder auch Gutzi, je nach (komischem) Dialekt ? Keks
Dieses Wort sorgte schon in der ersten Woche für Uneinigkeiten. Sara sagt nämlich Gutzi, währenddem ich mit meinem Zürcherdialekt Guetzli zu Keksen sage. Von der Mehrheit wurde aber Guetzli als die schönere Version auserwählt, weshalb Kekse jetzt offiziell Guetzli heissen.
Ankä ? Butter
In manchen Regionen der Schweiz nennen wir Butter Ankä. Ausgesprochen klingt das fast wir Anker, und als ich mit Sara über Anker oder auch Ankä am Frühstückstisch geredet habe, waren alle anderen ziemlich verwirrt. Selbstverständlich haben wir danach alle darüber aufgeklärt, aber die Blicke waren im ersten Moment schon ziemlich lustig, als ich den Anker auf mein Marmeladenbrot schmieren wollte.
Imfall
Auch das ist wieder so ein Wort, für das es keine direkte Übersetzung gibt. Wir bauen es einfach irgenwo in Sätze ein, wo es gerade passt. Am ehesten bedeutet es so etwas wie übrigens oder das englische by the way. Aber so langsam haben imfall alle hier an Bord gelernt, wann man imfall benutzt.
Znüni und Zvieri ? Smoko
Das sind zwei sehr wichtige Mahlzeiten im Leben eines Schweizers und einer Schweizerin. Hier an Bord wird diese Zwischenmahlzeit Smoko genannt. Es handelt sich dabei um den Snack, den man um 09:00 Uhr (Znüni, wörtlich zu neun) und um 16:00 (Zvieri, wörtlich zu vier) isst. In der Schweiz sind Znüni und Zvieri ein fester Bestandteil des Tagesablaufs, ich habe aber von einigen hier an Bord erfahren, dass es in Deutschland nicht so verbreitet ist, diese Zwischenmahlzeiten jeden Tag zu diesen Uhrzeiten zu essen.
Versorgä ? Verstauen
Dieses Wort kommt nicht von mir selbst sondern von Clara N. Versorgä bedeutet nämlich wörtlich übersetzt versorgen. Als Yarina sich bei Clara dafür bedankt hat, dass sie die Schuhe versorgt hat, verstand Clara gar nichts mehr. Sie konnte sich nicht erklären, was Yarina damit meinen könnte, sie hat den Schuhen doch nichts zu essen gegeben oder ähnliches. Yarina hat die Verwirrung in Claras Augen gesehen und hat sie darüber aufgeklärt, dass versorgen verstauen bedeutet.
So, jetzt habt ihr hoffentlich alle ein Bild davon bekommen, wie das hier auf dem Schiff mit all den Sprachen so abläuft und dass es gar nicht so einfach ist, das Richtige zu verstehen, wenn so viele verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Sprachen und Dialekten aufeinander treffen. Trotzdem kriegen wir es meistens hin, dass wir uns alle verstehen. Und wenn nicht, führt es wenigstens zu lustigen Situationen.
P.S.: Mami, Papi und Nico, ich han eu alli ganz fest gern und vermisse eu. Mir hends mega schön da und mir gahts super. De Rägä, wo mir ab und zue da hend, isch au e schöni Abwechslig. Es Grüessli au alli andere, wo mich kenned und i de chalte Schwiiz iigschneit werded, ich schick eu ganz villi vo mine Sunnestrahle zu eu hei 🙂 Lg Alina
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