Sternenbilder

Datum: 15. März 2025
Position: Nordatlantik
Nautische Position: 32°25,1’N 054°11,6’W
Etmal: 115 sm
Gesamte Distanz: 10263 nm

Familie ist etwas Besonderes. Ich würde sagen, darunter fallen Menschen, die für einen da sind – in guten wie auch in schlechten Zeiten. Man fühlt sich geborgen bei ihnen. Ob man redet oder sich anschweigt, weil es einfach nichts Wichtiges zu sagen gibt, ist egal. Die Familie macht einen zu einem besseren Menschen.

Zu Hause ist eigentlich eine Komponente, die mit Familie zusammenkommt. Wenn Du zu Hause bist, ist Deine Familie bei Dir. Es ist ein Rückzugsort, wo Du Ruhe und Zeit für Dich selbst finden kannst. Man fühlt sich sicher und nicht angreifbar.

Wenn man an diese Begriffe denkt, assoziiert man meistens den Ort, an dem man aufgewachsen ist, damit. Ich hatte das Glück, in einer sehr geborgenen Familie aufgewachsen zu sein. Ich liebe es, zu Hause zu sein und Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Es macht mich sehr glücklich und ich liebe es, neue Erinnerungen mit ihnen zu sammeln. Aber manchmal findet man auch in anderen Menschen eine Familie, ein Zuhause – einen Ort, an dem man sich geborgen fühlt.

Am Anfang waren wir alle Fremde. Sterne, die aus dem Himmel gepickt worden sind und in einen Sack geschmissen wurden. Ich weiß noch, am Anfang – mein allererster Tag auf der Johnny. Ich hatte Angst, natürlich war ich auch unfassbar glücklich, aber ich wusste nicht, wer oder was auf mich zukommen würde.

Ich wusste, dass wir wahrscheinlich gute Freunde werden würden. Aber dass wir das werden, was wir jetzt sind – irgendwie hatte ich nicht daran geglaubt, dass es so werden könnte.

Gemeinsam abends bei der Wache sitzen, heimlich Scheiße bauen, sich über die Klotüren hinaus unterhalten oder einfach nur nebeneinander auf dem Vordeck liegen und Sudoku lösen. Ich erinnere mich daran, wie wir Hand in Hand durch die Straßen rennen, laut Liedtexte in der Backschaft aus unseren Kehlen brüllen und alle zusammen Baba Ganoush machen, weil – wenn einer es macht, dann alle.

Natürlich waren auch Momente dabei, in denen es einem nicht so gut ging. Man hat an sich selbst gezweifelt oder irgendwas hat einen bedrückt. Aber es war immer jemand da, selbst wenn es nur Heimweh war.

Ich fühle mich sehr privilegiert, dass ich diese Menschen treffen durfte und dass ich die Johnny mein Zuhause nennen darf – und die Menschen darauf meine Familie.

Es ist keine Selbstverständlichkeit, es einfach so hinzunehmen, weil es ja klar ist, dass man bei so einer Reise zu einer Gemeinschaft zusammenwächst. Die Johnny ist mir sehr ans Herz gewachsen. Diese 183 Tage, würde ich sagen, werden mit die besondersten Tage meines Lebens sein.

Sie bedeuten mir so viel, dass es mir jetzt schon schwerfällt, daran zu denken, dass wir bald nicht mehr zusammen sein werden. Kaum zu glauben, dass wir nur noch 36 Tage gemeinsam haben. Es macht mir Angst, daran zu denken, bald in Amsterdam einzulaufen. Selbstverständlich freue ich mich riesig, in den Armen meiner Familie zu liegen, aber jetzt habe ich auch eine zweite.

Wir planen jetzt schon Urlaube zusammen und dass wir bspw. jeden Sonntag zusammen per Facetime kochen werden. Aber trotzdem werden wir wieder zu Sternen am Himmel, die weit entfernt voneinander sind. Jedoch sind wir weiterhin verbunden – wie Sternbilder.

Es gibt den großen Wagen, Orion und viele mehr. Ich sehe sie jeden Abend. Wir bilden jetzt unser eigenes, mit Sternen, die weit weg voneinander, aber doch so nahe sind. Und wenn ich zu Hause sitze und in die Sterne gucke, werde ich an diese Zeit hier denken und an unser Sternenbild.

Was heute passiert ist:

Heute war ein sehr besonderer Samstag, weil im Matheunterricht die Wache schreiend runterkam, dass sie Wale gesichtet hatten. Begeistert sind wir alle rausgerannt und haben uns aufs Achterdeck gestellt, um gehörig nach den Walen Ausschau zu halten. Dies war selbstverständlich erfolgreich und wir haben mehrere Wale gesichtet, die uns zugewunken hatten. Durch die prägnante weiße Flosse konnten wir sehen, dass es sich um Buckelwale handelte.

Am besondersten war, dass dieser sogar einen halben Backflip gemacht hatte, welcher leider auf dem Rücken endete. Es kam aber trotzdem zu Freudentänzen. Das alles hatten wir Lea und Johanne zu verdanken, die nach dem Frühstück ein Lied sangen, um die Wale anzulocken. Es lautete wie folgt:

Balenas, Balenas, Amigas, ¡hola, hola!
¿Dónde estáis, balenas?

Der Tag ging weiter damit, dass wir Friseursalon spielten und ich die Ehre hatte, Anna L. als meine erste Kundin zu haben. Erfolgreich habe ich meinen Auftrag abgeschlossen, weswegen auch schon meine nächste Kundin, Johanne, folgte. Danach schauten wir Frieda zu, wie sie ihre eigene Kundin wurde und schon kurz danach war ich das nächste Opfer.

Der Abend endete mit Popcorn und einer hochwertigen deutschen Komödie.

Grüße:

Nele: Papa, Mama, mir gehts sehr gut, bin auch nicht mehr seekrank. Meine Haare hab‘ ich auch nicht crazy geschnitten, nur curtain bangs, also bleiben immer noch lang.🤓Tilli, Deine Briefe hängen an einem Bett, ich freu‘ mich sehr, wenn Du mir welche schreibst. Liam, über Deine Blumen hab‘ ich mich so sehr gefreut. Ich vermiss‘ euch alle sehr und freu‘ mich schon, euch bald in den Armen zu halten.❤️

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