Date: 23.12.2020
Autor: Max-Eliot
Position: Curacao
Nautical Position: 12° 06,60 N ; 068°55,99W
Etmal: 0 nm (Total: 6384 nm)
Aufgeweckt wurden wir heute zwei Mal: Um 08:20 für das Frühstück und um 03:30. Der Alarm der Engineer´s bilge wurde aus irgendeinem Grund ausgelöst: WIUWIUWIUWIUWIUWIU. Soweit ich mich erinnern kann, singen Vögel morgens eine andere Melodie. Keine fünf Sekunden später zwitscherte dann ein anderer Vogel: Tamsin. Ihre Stimme hallte durch die Lautsprecher: Es war ein Fehlalarm. Zum Glück! Es ist nervig genug, am Kai auf die Erlaubnis an Land gehen zu dürfen zu warten; Wenn wir jetzt noch einen Unfall an Bord haben, dann ist die gute Stimmung komplett verloren. Wir mussten gestern nämlich selber Antigenstests machen, bei dem wir schon wieder fiese Stäbchen in unsere unschuldigen Nasenlöcher spießen mussten. Es wundert mich immer noch, wie einige dies angenehm finden können.

Alles Müll
Um 09:00 Uhr gab es dann das Morgenmeeting. Was ist jetzt der neuste Stand, was Shoreleave angeht? Dürfen wir endlich von Bord? JA! Um den Müll in den Müllkontainer zu schmeißen. Youhooo… Aus irgendwelchen Gründen wollten sie uns die Erlaubnis, an Land gehen zu dürfen, nicht geben. Käptain Chris gab sein Bestes, damit sie uns diese Erlaubnis gewähren. Weil wir warten mussten, war der Morgenprogramm Müll in die Tonne schmeißen und auf die Yards klettern, um die Segel aufzuräumen und Fotos zu machen.
PCR-Tests
Als wir aber alle oben waren, kam eine Ansage von Chris: Ärzte kommen in Kürze, um uns PCR-Tests zu verpassen. Die Crew war als erste dran. Wir, Schüler und Watchleader, warteten in der Messe. Simon kam rein: „It’s not as bad as in Madeira.“ Keine Sekunde später kam Abbie rein: „It’s worse than in Madeira.“ Simon hatte gelogen. Für alle, die noch nie einen PCR-test gemacht haben, hier ist eine kleine detaillierte Beschreibung.

Es fängt mit einem Formular an, das man ausfüllt. Danach steht man Schlange. Man wartet und schaut den anderen zu, wie sie einen 15cm langen Spieß in die Nasenlöcher gesteckt bekommen. So nett die Krankenschwestern auch sein mögen, man hat Angst um seine Nase. Im alten Ägypten entfernte man dem toten Pharao alle Organe. Um das Gehirn zu entfernen, benutzte man ein langes Stäbchen mit einem Hacken am Ende. Man steckte es in das eine oder andere Nasenloch rein und zog Stück für Stück das Gehirn des armen Pharaos raus. Das bedeutet, dass, wenn diese Krankenschwestern einen Tick zu tief bohren, könnten sie theoretisch unser Gehirn treffen.
Jetzt ist man dran. Man setzt sich hin und hört der Krankenschwester aufmerksam zu. Theorie: Spieß rein, drei mal drehen, fünfzehn Sekunden warten, Spieß raus.
Praxis…: Speer laaaaaangsam in das Nasenloch reinbohren. Je weiter er reingeht, je mehr frage ich mich, wie tief er sich noch reinbohren kann. Je tiefer er geht, desto enger wird der Weg. Bis zur Popelgrenze (maximale Tiefe, die der Finger eines dreijährigen Kindes in seiner Nase erreichen kann) geht es noch. Wenn diese Grenze aber überschritten wird, fängt es an zu kratzen und zu brennen. Der Spieß geht tiefer. Jetzt ist er über dem Rachen. Jetzt unter den Augen. Endstation: Hinter den Augen in unmittelbarer Nähe des Gehirns. Ich habe einen Spieß, der von den Nasenlöcher bis hinter die Augen gesteckt ist. ICH HABE EINEN SPIEß IM KOPF. IM KOPF. Nicht im Kopf wie eine Idee im Kopf oder ein Wattestäbchen in den Ohren. Nein. Im Kopf. IIIM Kopf. UND ER DREHT SICH, VERDAMMT NOCH MAL. Bei jeder Umdrehung bin ich erstaunt, wie rau Watte sein kann. Und er dreht sich. Eins. Zwei. Drei. Tränen kommen aus den Augen raus. Es ist kein starker Schmerz. Dennoch ist es unerträglicher als der Schmertz des armen großen Zehs, der einen Korb von der Möbelkante bekommen hat.

Pause. Fünfzehn kleine Sekunden Pause. Die Krankenschwester zählt laut und deutlich bis fünfzehn. Doch schlussendlich handelt es sich nicht um die fünfzehn gezählten Sekunden der Pause, sondern um den Countdown bis zur nächsten Foltermetode: DAS ENTFERNEN DES SPEERS. Früher wurden an manchen Speeren Haken geschmiedet. Als man den Speer aus dem Körper des Gegners rauszog, verursachten diese Haken enorme Schäden. Auch wenn der Gegner also nach dem Speerschlag noch lebte, war sein Tod wegen der zerfetzten Organen sicher. Wie ich es wenige Zeilen zuvor beschrieben habe, war die Watte erstaundlich rau. So kratzte sie JEDE verdammte Stelle meiner Nasenlöcher, als die Krankenschwester sie rauszog. Der Speer wurde entfernt. Es brannte, als hätte man mir Chilischooten in die Nasenlöcher reingesteckt. Aua, meine arme Nase… In Madeira zumindest war meine Nase nach dem Test frei. Die Ergebnisse sollten wir morgen bekommen. In der Zwischenzeit hieß es erstmal Mittagessen.
Weihnachtsstimmung
Nachmittags haben wir angefangen das ganze Schiff zu dekorieren. Die Messe wurde zu einer Bastelwerkstatt. Papiersterne aus alten nautischen Karten, Schneeflocken, Ballons, Lichterketten an der Wand und eine Musikbox, die Weihnachtslieder von einem halbwegs funktionierenden Mp3-player spielte. Draußen wurde ein Weihnachtsbaum aus Netzen und Besen gebastelt.

Übrigens: Die Weihnachtsbaumtradition kam aus dem Elsass (meine Heimat, hihi). Im Mittelalter errichteten die Einwohner der Stadt Straßburg an Weihnachten vor dem Münster eine Tanne, die geschmückt wurde. Sie tanzten und feierten dann um den Baum.
Zurück zum Thema. Nach dem Abendessen haben wir uns alle auf dem Welldeck versammelt. Der Tag endete mit dem Gesang von Weihnachsliedern und Shantys. Ebenso wie im Film „Cool Running“, den wir am Abend zuvor gesehen haben, würde ich sagen, dass wir das beste aus der Situation gemacht haben. Morgen ist ja außerdem Weihnachten!
Was kann da bloß schieflaufen? (Dieser Tagesbericht wurde am 24.12.2020 fertiggeschrieben…). Na dann, Frohe Weihnachten an euch alle!
PS: Alles Gute nachtäglich zum Geburtstag Oma