Werbepausen und andere Eigenheiten

Schiff: Regina Maris
Datum: 4th of March 2025
Position: St. Georges, Bermuda
Geographische Position: 32°22.796’N 064°40.589’W
Etmal: 0nm
Total: 9023nm

Wenn man auf einem Schiff eng eingepfercht miteinander lebt, findet man selten Privatsphäre. Trotzdem haben wir alle doch mal das Bedürfnis danach, alleine zu sein oder privat mit den engsten Freunden oder dem Freund/der Freundin Zeit zu verbringen.

Die Suche nach Privatsphäre kann sich hier mehr als schwierig gestalten, hat man sie dann aber endlich an klassischen Rückziehorten, wie z. B. in Sitzsäcken oder hinter der Kühltruhe auf dem Poop-Deck, auf dem Vordeck oder bei Landaufenthalten an der Hafenkante gefunden, so kommt es doch schon oft vor, dass man von anderen (gerade unerwünschten) Personen gefunden wird.

Bei diesen – wie ich sie nenne ‚Werbepausen‘ – entstehen teilweise die witzigsten Situationen, die ernstere Gespräche mal auflockern, sodass man den Menschen auch nie wirklich böse fürs Stören sein kann. Da wir alle schon mehr als genug solcher Momente selber erlebt haben, werde ich im heutigen Bericht die witzigsten Werbepausen mit euch teilen.

Denn glaubt mir, jede einzelne Person hier hat mehr als genug solcher Stories zu erzählen.

Wenn man zu zweit entdeckt wird, reagieren Menschen generell unterschiedlich. So gibt es die, die einem ein wissendes Lächeln zuwerfen und es damit sein lassen, oder die, die eine kurze Bemerkung in Richtung der Entdeckten machen. Dabei konnte man schon folgendes hören (in aufsteigender Reihenfolge):

„Wer ist da? (Namen werden genannt) …oh… sorry fürs stören, gute Nacht!“

„Ohhh, sind da etwa (beliebige Namen einsetzen)? Uiii, viel Spaß euch beiden!! ;)“

„Aha…hihihhih… lasst euch von mir nicht stören!“

„Boah, das sieht schon sehr romantisch aus bei euch beiden… also abgesehen von den Crocs, die zerstörens irgendwie“ (Zwei händchenhaltende Personen lagen nachts inmitten der Crocs, die in Kuba immer vorm Schiff stehen mussten)

„Un amigo y una chica…love is in the air…“ (natürlich kommt dies von Malte, von ihm wird nachher noch ausführlicher berichtet)

„Hatten eure Eltern schon den Talk mit euch? Also nur damit ihrs nicht vergesst: … (jetzt eine variabel ausladende Stunde Sexualkunde)

Und mein persönliches Highlight: „Hey Shababs, rummachen könnt ihr wo anders, es gibt Leute, die wollen schlafen!“ (Diese Bemerkung stammt im Übrigen von einem Lehrer)

Oder man stört die Pärchen absichtlich, so wie zum Beispiel Marilen, als sie eines Morgens zwei ihrer Freunde wecken wollte. Beide hatten sich über die Nacht hinweg draußen einen Sitzsack geteilt und konnten von den Weckversuchen davor noch nicht zum Aufstehen bewegt werden.

Also schnappte sie sich schelmisch Annekes Gitarre und stand plötzlich vor den beiden, laut singend: „Warum hast du nicht Nein gesagt? Es lag allein an dir… Weiter kann ich den Text nicht.“ Daraufhin ging sie ohne ein weiteres Wort, begleitet vom Gelächter der zwei.

Es gibt hier ein paar weitere Menschen, die noch namentlich genannt werden müssen, da deren Werbepausen einfach zu legendär sind. Die Qualität der Werbepause ist dabei unbestreitbar Typsache.

Balthasar ist beispielsweise der Typ Mensch, der schon beim normalen Vorbeilaufen Menschen zum Lachen bringen kann. So missachtet er zum Beispiel gerne den sogenannten ‚Personal Space‘, das heißt, sein Kopf befindet sich plötzlich 10 cm von dem Eigenen entfernt und schaut Dich bzw. das, was Du gerade machst, skeptisch an.

Aber nicht nur das, natürlich gibt es noch viel mehr komische Momente, wo er einfach durch seine Persönlichkeit andere zum Lachen bringt. Niklas und ich führten eines Nachts ein Einzelgespräch (wie es dazu kam ist eine eigene Geschichte: Niklas hatte groß und breit angekündigt, innerhalb von drei Tagen mit jedem von uns 33 ein Einzelgespräch führen zu wollen. Dafür „dürften wir ihn auch um 03:00 Uhr wecken“.

Diese ehrenhafte Aussage wurde zuerst von Malte ausgenutzt, der mit Niklas von 03:00 05:00 morgens gesprochen hat. Lea und ich fanden dies eine so coole Aktion, dass wir eine Schlange aus acht Leuten vorbereitet hatten, die die ganze nächste Nacht über mit ihm sprechen wollten. (Mein Einzelgespräch begann dabei um 00:01 Uhr und endete um 01:41 Uhr)

Dann kam Balthasar, dessen Watch gerade begonnen hatte, ganz freudig an uns vorbeigeschlendert und sagte: „Jetzt gibts einen Bananensmoothie!!!“ Als ich ihm gegen 02:00 unten im Gang vor den Cabins begegnete, fragte ich ihn, ob der Bananensmoothie denn geschmeckt hatte, woraufhin er mich entgeistert anstarrte, denn er hatte in seiner Müdigkeit schon wieder vergessen, dass er Niklas und mir auf dem Maindeck stolz davon erzählt hatte.

Anneke, die danach ihr Einzelgespräch geführt hat, wurde von ihm im Übrigen auch besucht, so zum Beispiel, als er sich nur kurz hinsetzen wollte und dabei gaaaaar nicht mit offenen Augen eingenickt ist. Aber Balthasars Schlafverhalten ist ein eigenes Thema, über das ein andern Mal mehr gesprochen wird.

Und dann wäre da noch: Jasper.

Jasper stört gerne, weil er dabei sein will. Er ist halt ein geselliger Typ, was soll man sagen? Er sieht dort, wo andere eine schon gefüllte Zweisamkeit sehen, noch Platz für einen dritten Gesprächspartner. Dabei meint er das gar nicht böswillig, sondern einfach nur lieb.

Inzwischen wurde ihm aber schon oft genug gesagt, dass er manchmal den falschen Moment erwischt, so dass er jetzt ganz schüchtern fragt, ob er gerade stört oder ob er sich doch dazugesellen darf. Wir sind stolz auf Dich, Jasper!

Janno ist auch eine der Personen, die ein besonderes Talent zum Stören haben. Er besitzt nämlich das „Jadar“, das „Janno-Radar“, einen siebten Sinn dafür, wenn irgendwo sein Name fällt.

Egal ob nach der Nachtruhe, im Wheelhouse oder auf dem Vordeck, er taucht immer dort auf, wo gerade sein Name erwähnt wurde. Gerade jetzt, während ich über ihn schreibe, ist er in den Messroom reingekommen, wo ich sitze und über ihn schreibe. Wie er das schafft? Keine Ahnung. Bewundernswert ist diese Gabe aber auf jeden Fall.

Um noch eine weitere Werbepause von ihm zu nennen: Vor ein paar Tagen störte er zwei Menschen beim Kuscheln im Messroom. Seine Freundin Leonore war gerade nämlich irgendwo anders und er hatte große Sehnsucht. Die zwei Gestörten machten daraufhin Scherze a là “Geh doch Leonore suchen!” Diese Idee fand er gut und machte sich direkt auf den Weg.

Ungelogen eine Sekunde später kam er mit einer wild strampelnden Leonore auf dem Arm zurück, sie muss sich gerade um die Ecke befunden haben. Aber es war einfach zu komisch, wie Janno direkt mit seiner Freundin zurückkam, von der wir dachten, dass sie draußen am Kai saß.

Im Übrigen werden nicht immer nur Paare von Einzelpersonen unterbrochen, es werden auch Einzelpersonen von Paaren gestört.

So geschah es auch schon, dass Lea auf dem Vordeck still und in Ruhe lesen wollte und sich etwas später aber ein Pärchen dazu gesellte, die die erste Person nicht gesehen hatten. Nun war die lesende Lea im moralischen Dilemma gefangen: Gehen oder nicht Gehen – das ist hier die Frage. Denn entweder bekommt man Dinge mit, die man nicht mitbekommen sollte (und möchte) oder man sorgt für eine unangenehme Situation für beide Seiten.

Ich kann verraten, dass sie schon beide Optionen ausprobiert hat und der Meinung ist, dass die Paare einfach gescheit schauen sollen, ob jemand gerade da ist, sodass es gar nicht erst so weit kommen muss.

Meine persönlichen Lieblings-Unterbrecher sind Hannes und Malte.

Hannes zeichnet sich dadurch aus, dass er immer laut seine Schritte artikuliert, um den betroffenen Personen anzuzeigen, dass er sich nähert. Sein dinoartiges Schleichen perfektioniert die Szene „Hannes im Anmarsch“. Ist er einmal nah genug, verhält er sich den Personen entsprechend mehr oder weniger hibbelig. Unterbricht er ein Pärchen (bzw. zwei Personen unterschiedlicher Geschlechter), so kichert er lautstark hinter seiner vorgehaltenen Hand und zeigt mit seinem Finger auf die unglücklich Erwischten.

Durch sein zugespitztes Verhalten, das er so auffällig gestaltet, muss man einfach lachen wenn er vorbeikommt. Vor allem, dass er sich extra ankündigt, sodass man gut Zeit hat, mit privaten Gesprächen aufzuhören, sorgt dafür, dass er eine stets willkommene Werbepause ist.

Malte ist aber noch extremer.

Ohne Scham stört er die Pärchen; bei ihm ist schon alles vorgekommen. Er legt sich dazu, wenn nicht sogar dazwischen, flüstert ziemlich eindeutige Dinge in Richtung der beiden, weigert sich, die Turteltäubchen alleine zu lassen…, mit Malte ist man erst mal beschäftigt.

Die Meisten finden ihn lustig, aber grad bei den ‚Couples‘ kommt es öfter vor, dass sie ungehaltener werden, wenn die Werbepause einfach kein Ende nimmt.

Aber um ein paar Situationen zu nennen, hier eine Sammlung aus selbst erlebten und gehörten Malte-Werbepausen:

  • Ein Pärchen saß hinter der Kühltruhe und genoss dort die gemeinsame Zeit auf die ein und andere Art und Weise, als Malte dazukam und sich auf einen der beiden drauflegte zum Kuscheln. Alle Versuche, ihm zu erklären, dass man gerade lieber zu zweit sein wollen würde, wurden gekonnt ignoriert. Erst als die bekuschelte Person sehr ernst wurde, kam diese Werbepause zu einem Ende. Situationen dieser Art gibt es im Übrigen nicht wenige, von meinen acht befragten Personen konnten alle von Vorkommnissen dieser Art berichten, egal ob auf der Watch, bei ernsten Gesprächen oder beim Kuscheln. Irgendwie findet unser Malte immer genau die Menschen, die nicht gestört werden wollen…
  • Wenn zwei Menschen mal an einem Rückzugsort quatschen wollen, wo Malte mit seinen Bros Benji und Pepe auch gern wäre, so scheuen sie sich nicht davor, sich einfach dazuzuhocken. Sowohl mir, als auch gewissen anderen Personen ist dies schon passiert. Dabei beherrschen die drei die Kunst, die Gespräche so aufzumischen, dass man danach schon fast vergessen hat, worüber man davor so gesprochen hatte (aber nur fast).
  • Malte unterbricht auch gerne „normale“ Unterhaltungen, dafür aber auf die witzigsten, verrücktesten Weisen. Wer kann schon von sich behaupten, live dabei gewesen zu sein, als Malte sich einen Mehrfachstecker in die Nase steckte oder als er dem eigenen Lehrer aus dem Nichts in den Po kniff und dabei stolz sagte „Ich hab deine Pobacke gewackelt, **!“
  • Person A und Person B saßen gemeinsam auf dem Poop Deck. Meinen Quellen zufolge haben sie Händchen gehalten. Malte war schon öfters an den beiden vorbeigelaufen, ohne dies zu sehen, doch dann geschah es: Er erblickte die verschränkten Hände. Langsam, einem Raubtier gleichend, schlich er sich an seine Beute an. Die beiden Menschen konnten sich jetzt schon das Grinsen nicht verkneifen, denn der konzentrierte Gesichtsausdruck von unserem Blitzmerker war so fokussiert wie sonst nur beim Angeln während er sich langsam näherte. Dort angekommen beugte er seinen Kopf auf die Höhe der Hände, mit lediglich 20 cm Entfernung dazwischen. Ein „Huh…“ folgte, sowie verwunderte Blicke zu den beiden nach oben. Um auch ganz sicherzugehen, dass er sich nicht verguckt hatte, dass die beiden tatsächlich Händchen hielten und er sich das nicht nur eingebildet hatte, begann er nun, mit seinem Zeige- und Mittelfinger im Fingerlauf-Stil von den Händen bis zum jeweiligen Oberarm nachzuverfolgen, dass die Hände auch tatsächlich zu Person A und B gehörten. Währenddessen huh-te er natürlich fleißig weiter, um seinen Forschungsprozess zu unterstreichen. Erst im Anschluss, als er das offensichtliche erfolgreich bewiesen hatte, trat er den Rückzug an und ließ zwei laut lachende Menschen zurück.

Privatsphäre finden ist machbar, diese aber privat zu halten ist schon schwieriger. Auch wenn man sich im ersten Moment aufregt, wenn andere plötzlich zu den ungelegensten Zeitpunkten hereinplatzen, so hat man am Ende doch immer etwas zu lachen und einen weiteren Moment erlebt, den man irgendwann einmal den Freunden als kleine Annekedote erzählen kann.

Sich aufregen bringt eh nichts und letztendlich haben wir die Unterbrecher mit all ihren Eigenheiten auch einfach zu gern, um sich nicht fast schon zu freuen, wenn mal wieder plötzlich ein Malte auftaucht und sich frech dazukuschelt.

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