Ocean College

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Zeit zum Nachdenken..


Datum: 26.03.2023
Autorin: Jule 
Position: Nordatlantik 
Nautische Position: N 34 10,5 W 50 27,5
Etmal: 9157
Schiff: Regina Maris


Lediglich ein Cargoship aus Libyen

Wie kochende Milch schaut das Wasser aus, wenn das Schiff in die Wellen bricht und die sogenannten „white horses“ entstehen. Solche Vergleiche fallen einem ein, wenn man nachts von 01-05:00 Watch hat. Es ist kalt. Selbst das Sitzen auf dem Lookout – Stuhl wird zur Herausforderung. Andauernd hört man es unten scheppern. Tassen, Töpfe, Teller oder ganze Sitzpolster gehen auf Wanderung. Und um so länger man auf dem Lookout sitzt, umso kälter wird es. Manchmal macht sich der Magen bemerkbar.

Viel sieht man nicht. Lediglich ein Cargoship aus Libyen, welches uns anfunkt, um kurz Kontakt aufzunehmen und um zu klären, wie wir am besten aneinander vorbei kreuzen. Außer Kälte also nicht viel. Und wenn man einer der Unglücklichen ist, die von einer Welle erfasst wurden, quält man sich mit dem Gedanken, dass es wohl kaum einen unbehaglicheren Ort geben mag, als hier halb nass vier Stunden lang zu sitzen.


Man hat viel Zeit, um nachzudenken. Der Mann auf dem Cargoship sitzt bestimmt im Trockenen, geschützt vor den Wellen und dem Wind (der übrigens nach einer Zeit einfach durch jede Jacke durchzuwehen scheint) und wahrscheinlich trinkt er einen warmen Tee. Und wenn man in den Himmel schaut, entdeckt man zwischen den zahllosen Sternschnuppen ein Flugzeug. Und man denkt daran, wie die Leute dort im Trockenen und Warmen sitzen. All dies stimmt wahrscheinlich noch nicht mal. Im Flugzeug ist es meist kalt. Und der arme Mann auf dem Cargoship hat allein Wache, wahrscheinlich auch ohne heißen Tee. Stimmt nun jemand bei uns einen Shanty an und alle singen verschlafen mit, wird dieser unbehagliche Ort zu einem wunderschönen Ort. Der Wind scheint nicht mehr durch die Jacke zu wehen und selbst die Wellen arbeiten nicht mehr gegen einen. Und man vergisst die Leute im Flugzeug und den Mann im Warmen mit seinem Tee, denn man ist froh, hier sitzen zu können.


„Alles läuft über“

Tagsüber sind die Wellen ziemlich präsent. Schaut man raus, denkt man, man lebt in einer dieser Nussschalen, die man früher als kleines Kind in den Fluss gesetzt hat. Man kann nicht viel machen und wenn man einer Tätigkeit nachgeht, so ist sie um einiges anstrengender. Selbst bloßes Sitzen wird zu einer Mammutaufgabe. Also bleibt nur die Zeitung ein weiteres Mal lesen oder sich ein neues Buch zu suchen. Trotzdem ist heute wieder Sonntag und damit verbunden die altbekannte „Happy Hour“ (die wir auch dringend nötig hatten). Naja, wie gesagt, es ist nicht einfach, bei so starkem Seegang irgendetwas Produktives zu machen. In der Galley muss man sich einfach nur loslassen, um zum gegenüberliegenden Regal und damit zum Salz zu gelangen.


Die Töpfe sollte man aber trotzdem nicht aus den Augen verlieren, denn das Essen sammelt sich in einer Ecke und läuft schließlich einfach aus den Pfannen raus. Auf dem Boden entstehen kleine Rinnsale aus Öl und angebratenen Zwiebeln. Wäscht man sich die Hände in der Galley, so läuft das Wasser am Waschbecken vorbei. Der Strahl der Dusche läuft straight gegen die Wand und wenn man auf Toilette spült, sollte man auf eine etwas ruhigere Phase warten. In den richtigen Momenten kann man durch die Bullaugen im Messroom „Fische beobachten“. Damit verbunden ist meist ein sehr lautes Schreien, weil irgendwer nur für fünf Minuten lüften wollte und genau in diesem Moment DIE ultimative Welle kam. Allgemein kann man aber sagen, dass sie Stimmung wieder gestiegen ist. Denn unsere Seekranken sind zurück unter den Lebenden und die pinken Kotzeimer wurden wieder verstaut. 


Atlantic crossing: 6 Tage
Arrival: 27  Tage

So wurde gestern unsere Tafel beschriftet. Und falls man es nicht gleich erkennt, es handelt sich hier um einen Countdown. Ziemlich erschreckend. Und bei vielen von uns löst es gemischte Gefühle aus. Es wird schon sehr viel über die Ankunft zuhause geredet. Manchmal mit Tränen, aber auch oft mit Vorfreude auf die Familie. Eines steht aber für alle fest. Die letzten 27 Tage werden wir in vollen Zügen genießen. In vielen Tagebüchern findet man hinten eine Liste mit Sachen, die man zuhause unbedingt machen will. Darunter Führerschein, Zimmer aufräumen (und zwar richtig), Praktika oder einen Ferienjob machen. Ob wir dies auch wirklich so diszipliniert umsetzen oder ob es genauso wie mit den altbekannten Silvestervorsätzen verläuft, werden wir dann sehen. Und neben diesen Vorsätzen befindet sich eine GANZ lange Liste, mit Essen, welches man unbedingt zuhause mal wieder essen will. 


Sachen die wir zuhause unbedingt als erstes Essen wollen…

Marietta: Brownies, Avocado-Sushi
Merit: Geiles schwäbisches Essen (Käse- Spätzle), Maultaschen von Oma (Oma macht die besten Maultaschen) 
Mia: Sushi
Pola: Nudeln mit Parmesansoße
Lenya: Sushi, Dampfnudel, Maultaschen
Jule: Schichtkohl von Mum, Erdbeeren mit geschmolzener Schokolade 
Amélie: Sushi, Hüpf-Pataten
Theodor: Kartoffelgratin von meiner Mutti mit Rotkohl

Grüße:

Brian: Liebe Grüße an alle Zuhause, ich habe vor zwei Tagen meinen Pathway gehalten und es lief ganz ok. Sonst ist alles weiterhin super und Watch macht Spaß. Wir sind sehr schnell und kommen hoffentlich am ersten/zweiten ungefähr an. Hab euch lieb, Bussi! 

Blümchen: Grüße an die Unruhigen Zuhause. Ich habe euch alle lieb. Wir sehen uns in 27 Tagen.

Theo: Liebe Grüße an alle Zuhause, ich hoffe, es geht euch allen gut. Auf See zu sein macht Spaß, aber ist auch anstrengend, deswegen freu ich mich schon auf fünf Tage Azoren, wo ich mich bei euch melden kann. Hab‘ euch alle lieb.

Nikita: Liebe Grüße an alle Omas und Opas!

Juno: Alles Gute zum Geburtstag Mama und Per! Lieb‘ euch sehr! 

Jule: Grüße nach Hause. Alles gut hier. 

Larissa: Happy Birthday Matthi <3 

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