Ocean College

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Zwischenstopp

Datum: 30.03.22
Autorin: Daisy
Position: Scheveningen/ Niederlande
Nautische Position: 5120.2‘N 00259.6‘E
Etmal: 14575

Jetzt ist einfach schon der 30. März und mein letzter Tagesbericht, auf den ich mich schon ziemlich doll gefreut habe. Wir befinden uns gerade auf dem Übergang vom English-Channel zur Nordsee. Am Nachmittag fahren wir in den holländischen Hafen in Scheveningen / Den Haag ein und warten dort darauf, dass ein Gale vorbei zieht. Denn der Gegenwind soll so stark werden, dass es sich nicht lohnt, mit dem Motor dagegen anzufahren. Aktuell ist das Wetter weder besonders stark noch irgendwie schön. Es ist diesig und kalt.

Die normale Handoverroutine läuft so gewöhnlich weiter, dass man nicht das Gefühl hat, in nur vier Tagen anzukommen. Die Watches sind saukalt und jeder trägt den Zwiebellook, der aus mindestens zwei Jacken, Skiunterwäsche, einem Pullover und einer Wärmflasche besteht. Neben dem Alltag und der Routine wurden die ganzen Taschen aus der Bilge geholt (die einen Taschen mehr, die anderen weniger nass oder teilweise auch schimmelig). Seit gestern haben die ersten angefangen aufzuräumen und zu packen. Vereinzelt sind sogar schon Rucksäcke und Seesäcke fertig gepackt. Die Stimmung ist dabei ziemlich gut.

Allerdings könnte das auch einfach daran liegen, dass wir vor drei Monaten in Costa Rica schon mal alles packen mussten und uns deshalb jetzt noch nicht ganz bewusst wird, dass wir packen, um nach Hause zu fahren. Zudem es mir persönlich so geht, dass ich weder Vorfreude noch Trauer empfinde. Und ich glaube nicht, dass ich besonders herzlos bin, sondern einfach noch nicht begreifen kann, wie schnell diese Reise enden wird.

Es ist doch für mich schon ziemlich krass zu sehen, wie sehr dieses Schiff doch irgendwie ein kleines bisschen Zuhause ist. Auch wenn Zuhause immer da ist, wo ich aufgewachsen bin und ich jetzt nicht „Zuhause“ zur Pelican sagen würde: Ich fühle mich wohl, laufe in ranzigen Klamotten rum (so wie eigentlich fast jeder hier) und lebe meinen mittlerweile gewohnten Alltag. Es sind für uns so viele Dinge „gewöhnlich“ und „normal“ geworden, die am
Anfang fremd, anders und neu waren.

Wir alle haben die Reise, ganze sechs Monate, von Anfang bis Ende zusammen durchgemacht. Dazu zählt das, was alle sehen: Die vielen Länder, die Erlebnisse, ein Tallship vollgestopft mit pubertierenden Teenagern und viele andere Sachen. Aber Ocean College ist auch, dass man eine Gemeinschaft wird (vor allem nochmal jetzt zum Ende), man sich trotzdem mal einsam und alleine fühlt und dass man sich direkt wieder dreckig fühlt, auch wenn man gerade aus der Dusche kommt.

Oder dass der Koch nur die Wahl zwischen Kartoffeln, Reis oder Nudeln hat, auch wenn alles, was dazu kommt, noch so gut schmeckt. Zu guter Letzt ist Ocean College auch, dass wir alle die gleichen Wörter in unsere Sprache eingebaut haben, die Zuhause kaum einer verstehen wird: Stramm (Luise), Maus (die Bunkerboys), Anders (Justus), Scheise (Elisa), Wild (Maria) und wahrscheinlich auch noch einige weitere…

Oft wird mir erst ein paar Wochen später bewusst, wie krass die Momente waren, die wir erlebt haben. Vor allem wenn ich mir Fotos von Orten anschaue, kann ich manchmal einfach nicht so richtig fassen, dass ich einfach an so schönen Orten war.

Was für privilegierte und besondere (für uns teilweise) Gewohnheiten wir genießen durften. Dafür möchte ich mich einmal bei meinen Eltern bedanken, die mir jeweils auf ihre eigene Weise diese Reise möglich gemacht haben. Bei meiner Mutter, die mir immer den Rücken gestärkt hat und – insofern es möglich war – immer am Telefon da war. Bei meinen Freunden, die trotz so wenig Kontakt das Bestmögliche rausgeholt haben. Und ganz doll möchte ich mich bei allen Menschen bedanken, die mich losgelassen und gezeigt haben, wie lieb sie mich haben. Und bei Ocean College und Seas your Future, für diese unfassbar coole Möglichkeit dieser Reise mit der ganzen Organisation, die dahinter steht.

Einen Gedanken möchte ich gerne noch teilen: Vor dieser Reise hatte ich recht großen Respekt vor der Zukunft und was mich erwarten wird – und jetzt bin ich einfach nur noch gespannt, was mich so erwartet. Den restlichen Respekt habe ich nur noch davor, Erinnerungen zu vergessen.

Ich wüsche allen, die nach mir kommen, eine mindestens genauso schöne Reise.

Ganz dicke Kufis nach Hause, eure Daisy

Schülerin am Steuer

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