Insider erklärt

Datum: 08.04.2024
Geographische Position: 38°58.2′ N 028°19.7′ W
Etmal: 137 nm
Total: 10633 nm
Schiff: Regina Maris

Sprüche an Bord

Bei uns an Bord haben sich über die Monate hinweg tonnenweise Insider angesammelt, manche leichter zu erklären und andere schwieriger. Von vielen ist der Ursprung niemandem bekannt – irgendwann waren sie einfach da. Um unsere Familien nicht komplett mit unserer komischen Sprache zu verwirren, möchte ich hier über ein paar schreiben.

Schüler*innen stehen auf der Hafenmauer der Azoren.

Was man hier oft hört:

„Schnapp“

Ein Wort, das an Bord mit am weitesten verbreitet ist: Onno hat damit begonnen und uns alle angesteckt. Kann man in vielen Situationen sagen, zum Beispiel wenn man sich eine Tasse nimmt.

„Normaaal“

Ein weiteres Wort, dessen Ursprung auf Onno zurückzuführen ist; kann je nach Situation verschiedene Bedeutungen haben. Unter anderem ein Ja.

„Festguss“

Dieses Wort ist etwas komplizierter und erfreut sich doch großer Beliebtheit: Bei einem Festguss handelt es sich um eine un- oder halbinformierte Spekulation, aber auch unbestätigte Informationen werden gemeinhin als Festguss bezeichnet.

Die Geschichte dieses Ausdrucks ist ähnlich komplex wie dessen Anwendung. Eines Tages, als eine unserer Schülerinnen mit einem perforierten Bein aus dem Krankenhaus zurückkehrte, spekulierte Justus darüber, was für einen Verband sie wohl tragen würde.

Seine These: Ein Festguss. Als das Opfer der Spekulationen näher rückte, stellte sich heraus, dass es sich nur um einen Wickelverband handelte. Der Festguss war eben doch nur Festguss.

Schüler*innen stehen an Deck der Regina Maris.

„Schulz“

Niemand weiß, woher sie kommt, was vielleicht damit zusammenhängt, dass diese Geste fast schon antik ist: Sie wurde verwendet, noch bevor wir Europa verlassen haben. Das Ritual dahinter ist, dass man, wenn jemand rülpst, dieses Handzeichen ->🤙 macht, wie das Horn von einem Einhorn an die Stirn hält und dabei laut Schulz ruft.

Wer am langsamsten ist, darf von allen anderen Anwesenden geschlagen werden, dieses Privileg wird aber nur von gewissen Einzelpersonen ausgenutzt.

„Hütchen“

Eine weitere Angewohnheit ungeklärten Ursprungs. Fällt eine Aufgabe an, machen alle schnell ein Hütchen über ihren Kopf und rufen „Hütchen“. Die Person, die am langsamsten ist, muss die Aufgabe übernehmen.

Eine Schülerin wartet in der Schlange aufs Essen.

„Spinatkatze“

Ein weiteres altes Wort aus den Ärmelkanal-Zeiten. Im Zuge des Workshops „Nähe und Distanz“ gab es eine ausartende Diskussion darüber, ob wir, wenn wir uns durch eine Menschenmenge durchquetschen wollen, ein besonderes Wort festlegen oder einfach „Sorry, darf ich mal durch?“ reicht.

Jule schlug vor, ein imaginäres Wort, das außerhalb dieses Falles keine Anwendung findet, zu nutzen und führte als Beispiel das Wörtchen „Spinatkatze“ an (es gab Spinatnudeln zum Mittagessen).

Formal wurde der Antrag abgelehnt und sich auf die darf-ich-mal-durch-Variante geeinigt, vergessen wurde er von der Allgemeinheit aber nicht und war zukünftig oft zu hören – besonders in großen Menschenansammlungen.

„Samulant“

Diverse Personen drücken sich des Öfteren vor Aufgaben (oder Schule) und das Wort Simulant, in geringfügig veränderter Form, wird nun als Fachbegriff dafür verwendet.

„Postkarten kaufen“

Wenn Crewmitglieder oder andere Erwachsene erst frühmorgens von Landaufenthalten zurückkehren, dann waren sie Postkarten kaufen. Das kommt daher, dass eines Morgens um kurz vor acht unser Lieblings – erster Offizier mit Postkarten in der Hand an Bord zurückkehrte. Wo er war? Postkarten kaufen natürlich!

Ein Offizier vor der Hafenmauer auf den Azoren.

„Happy?“

Ein Spruch unseres ersten Kapitäns, der uns begleitet, lange nachdem der Urheber das Schiff verließ.

„Leni-Bonus“

Jede und jeder freut sich, mit Leni in der Cabin zu sein. Oder zumindest mit ihr Waschtag zu haben. Grund dafür ist der berühmt berüchtigte Leni-Bonus: Am Waschtag muss man nur die Wäsche sortiert aufs Bett legen und Leni kümmert sich drum. Kann aber sein, dass sie Dich zum Wäscheaufhängen knechtet, während Du gerade nichtsahnend Deinem gewöhnlichen Tagewerk nachgehst.

„Aaaaaauuuuuufffgefingert“

Hören und beobachten kann man dieses Phänomen vor allem, nachdem die Ansage: „Galley schließt gleich!“ (Heißt, die Kiste vor der Galley wird umgedreht und man muss Geschirr selbst abspülen) ertönt. Dann wird fleißig benutztes Geschirr gestapelt, alle am Tisch setzen sich drumherum, rufen laut „aufgefingert“ und platzieren einen Finger am Tellerrand.

Das geht ab zwei teilnehmenden Personen. PL Thomas, der das Ganze auch angezettelt hat, ist immer mit dabei, auch wenn sein Teller gar nicht im Stapel ist. Dann geht es los: Der Reihe nach sagt jede/r: 3,2,1 und dann eine Zahl. Gleichzeitig entscheiden alle anderen, ob sie den Finger auf dem Teller lassen oder hochheben.

Wenn die Zahl, die man gesagt hat, mit der Zahl Finger, die noch auf dem Teller ist, übereinstimmt, ist raus. Wer als letztes die Zahl immer noch nicht richtig hatte, muss den Stapel Teller wegbringen. Es ist ein Spiel voller Risiko, aber auch voller Chancen.

Das war es jetzt erstmal. Durch diesen Einblick in unsere Insider habt ihr ja jetzt einiges erfahren, aber um nicht alles zu verraten, bleibt es erst mal dabei.

Um weitere Mysterien zu lösen, müsste man wahrscheinlich selbst an Bord sein – zum Teil kursieren hier sogar Sprüche, die nicht mal die verstehen, die sie benutzen – aber das ist wieder ein anderes Thema. Schöne Woche noch und bis bald!

Die Regina Maris auf den Azoren

Der heutige Tag

Heute war der dritte Tag des ersten Handovers oder „Takeovers“, wie Thomas es nennt. Dort gibt es verschiedene Positionen zu vergeben wie Offizier oder Bosun, die dann von uns Schülerinnen und Schülern übernommen werden.

Da wir dann auch Crew-Meetings und Ähnliches abhalten, wird es im Wheelhouse manchmal ganz schön wild. Aber auch sehr lustig. Bis jetzt sind wir erfolgreich und ohne Probleme unterwegs und machen auch gute Fahrt.

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