Sein und werden

Datum: 06.04.2024
Position: Horta, Azoren
Etmal: 0 nm
Total: 10496 nm
Schiff: Regina Maris

„Ich denke, dass uns diese Reise nicht nur in Seemeilen weiterbringen wird, sondern auch näher zu uns selbst.“

Das habe ich vor etwa fünf Monaten in meinem ersten Tagesbericht gesagt. Eine Person, die mir jetzt fremd scheint, die ich teilweise auf Fotos nicht wiedererkenne. Doch was ich damals gesagt habe, kann ich jetzt, ein halbes Jahr später, nur bestätigen.

Ich habe in so kurzer Zeit so viel gesehen, wie manche Menschen in ihrem ganzen Leben. Ich habe vier Kontinente auf einem Segelschiff zusammen mit 34 anderen Jugendlichen bereist. Aber nicht nur das: Ich habe zu mir selbst gefunden, ich bin glücklich mit der Person, die ich geworden bin, ich habe so viel über mich selbst gelernt und ich bin die geworden, die ich schon immer sein wollte.

Ich kam als 16-jährige auf dieses Schiff und verlasse es bald wieder als beste Version, die es von mir im Moment geben kann. Ich weiß wer ich bin und am wichtigsten: Ich weiß, wer ich sein möchte.

Ich kam auf diese Reise, ohne etwas zu erwarten, ohne konkrete Vorstellung auf was genau ich mich eigentlich einließ. Im Endeffekt war das auch besser so. Ich wurde mit 34 Jugendlichen aus ganz Deutschland zusammengewürfelt. Ich wusste nichts über diese Menschen und sie nichts über mich.

Mittlerweile, wenn wir Videos über die Pelican sehen oder wenn wir andere Schulorganisationen auf Schiffen treffen, sagen viele, dass sie durch eine kleine Entscheidung auf einem anderen Schiff hätten landen können. Eine kleine Entscheidung und unsere Gemeinschaft wäre nicht die, die sie jetzt ist.
 
Ich bin dankbar für jede einzelne Person, die hier auf der Reggie mit mir diese Reise geteilt hat. Jede einzelne Person hat mir etwas gezeigt, etwas beigebracht und/oder mich bereichert. Bei manchen war es „angenehm“, wenn man das so ausdrücken kann. Ich wurde inspiriert, habe mir etwas abgeschaut oder habe etwas von diesen Personen gelernt.

Andererseits haben manche Leute bei mir „Trigger-Punkte“ getroffen, mir Dinge über mich selbst gezeigt, die ich anfangs nicht unbedingt sehen wollte. Es war manchmal sehr unangenehm und anstrengend. Ich musste aus meiner Komfortzone, noch mehr als ohnehin schon.

Ich musste mich mit mir selbst konfrontieren und gegebenenfalls mein Verhalten auch verändern. Ich musste mir vielleicht Dinge eingestehen, die ich mir nicht eingestehen wollte. Im Endeffekt hat mir jeder geholfen, die Person zu werden, die ich jetzt bin. Jeder hat einen kleinen Teil dazu beigetragen.

Eine Schwäche von mir war schon immer der Drang, mich mit anderen zu vergleichen. Das habe ich mittlerweile über Bord geworfen. (Wortwörtlich ;)) Ich habe gemerkt, wie wichtig und einzigartig jede einzelne Person in unserer Gemeinschaft ist.

Was für unglaubliche Dinge jede einzelne Person kann und beiträgt. Ich habe gelernt, jede einzelne Person so zu lieben wie er/sie ist, mit all seinen/ihren Stärken und Schwächen und zuletzt habe ich auch gelernt, mich selbst zu lieben, wie ich bin, mit all meinen Stärken und Schwächen.
 
In zwei Wochen werde ich die Gangway ein letztes Mal heruntergehen, um ein Zuhause zu verlassen und zu einem anderen zurückzukehren. Ich werde unsere heißgeliebte Reggie als Person verlassen, die weiß wer sie ist, weiß wer sie sein möchte, die mit sich selbst zufrieden und in Frieden ist und weiß, dass was auch immer im Leben kommt, sie damit irgendwie fertig werden wird und voll von neuen Erfahrungen, Ideen und Perspektiven steckt.

Und wie viele 17-jährige können das von sich behaupten? Wahrscheinlich nicht so viele, aber ich bin dennoch sehr dankbar, dass ich zu denen gehöre, die es können.

Da dies mein letzter Tagesbericht ist, möchte ich Ocean College, meinen Eltern und allen, die mich unterstützt haben, für diese unvergessliche Reise danken.

Was heute passiert ist:

Heute war ein sehr entspannter Tag auf unserer Regina Maris. Wir hatten den ganzen Tag Free Shore Leave und Freizeit an Bord. Ein paar von uns waren privat oder für das Handover einkaufen, manche waren spazieren und andere von uns beginnen, Abschiedsbriefe für das Ende der Reise zu schreiben.

Außerdem haben wir begonnen alles zu verstauen, denn morgen stechen wir in See! Es herrschen viele gemischte Gefühle, aber wir freuen uns alle sehr auf unsere letzte Etappe. Auf was wir uns auch freuen, ist die morgige Ankunft der Pelican of London, da wir uns gegenseitig besuchen werden, bevor wir losfahren!
 
Grüße nach Hause:

Ella: Ich grüße meine Fam und ganz besonders doll meinen dicken Hund Ida (+die Gurkengang).

Mascha: Drück‘ Deine Lachkugel von mir Rani, ich vermisse euch:)

Mattis: Ich grüße meine Wikinger und natürlich meinen fetten Prinz.

Emma: Ich denke ganz fest an euch, ich kann es kaum glauben, dass ich euch in zwei Wochen wiedersehen werde, bis ganz bald, hab‘ euch lieb!

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